„Na,“ meinte Maja, „ansehen würde ich mir so was schließlich auch mal.“

„Ansehen, meinetwegen. Aber ansehen ist etwas ganz anderes wie glotzen. Schauen Sie sich doch einmal die Torheiten an, die dies Gesindel bei einer Lampe treibt. Daß sie zwanzigmal mit dem Kopf dagegenrennen, ist noch eine Kleinigkeit, manche tun es so lange, bis sie sich ihre Flügel verbrannt haben. Dabei glotzen sie ununterbrochen das Licht an.“

„Die armen Tiere,“ meinte Maja, „offenbar können sie sich nicht mehr zurechtfinden.“

„Dann bleiben sie besser in den Fensternischen oder unter den Blättern sitzen,“ sagte Hannibal, „dort sind sie vor der Lampe sicher und dort kann ich sie fangen. In jener verhängnisvollen Nacht nun sah ich von der Fensternische aus vereinzelte Mücken neben der Lampe in den letzten Zügen liegen. Ich beobachtete, daß dem Menschen scheinbar nichts daran gelegen war, und beschloß, sie mir zu holen. Ist etwas in der Welt begreiflicher?“

„Nein“, sagte Maja.

„Und doch, es wurde mein Unglück. Leise und vorsichtig kroch ich am Tischbein empor, bis ich über den Rand schauen konnte. Der Mensch erschien mir fürchterlich groß, und ich betrachtete, was er tat. Langsam setzte ich ein Bein vor das andere und näherte mich der Lampe. Solange ich Deckung hinter der Flasche hatte, ging alles gut, aber kaum trat ich hinter dem Glas hervor, als der Mensch auch schon aufblickte und nach mir griff. Er nahm eins meiner Beine zwischen seine Finger, hob mich daran empor bis dicht vor seine großen Augen und sagte: ‚Ei, sieh da!‘ Und dabei grinste dieser Grobian über das ganze Gesicht, als ob es sich um ein Vergnügen handelte.“

Hannibal seufzte und die kleine Maja war ganz still. Endlich fragte sie mit heißem Kopf.

„Hat der Mensch so große Augen?“

„Denken Sie jetzt gefälligst an mich und an meine Lage“, rief Hannibal erregt. „Versuchen Sie, sich meinen Gemütszustand vorzustellen. Wer hängt gerne an einem Bein vor Augen, die etwa zwanzigmal so groß sind, wie sein eigener Körper? Jeder der Zähne, welcher aus dem Mund des Menschen weiß hervorblitzte, war doppelt so groß wie ich. Nun, was denken Sie?“

„Schrecklich,“ sagte Maja, „also entsetzlich!“

„Da riß gottlob mein Bein. Es ist nicht abzusehen, was alles geschehen wäre, wenn es gehalten hätte. Ich fiel und lief, so rasch mich meine übrigen Beine trugen, und versteckte mich hinter der Flasche, in deren Schutz ich die furchtbarsten Drohungen gegen den Menschen ausstieß. Deshalb verfolgte er mich weiter nicht. Ich sah, wie er mein Bein auf das weiße Papier legte und zusah, wie es fortlaufen wollte, was es aber ohne mich nicht kann.“

„Bewegte es sich noch?“ fragte Maja erschrocken.

„Ja,“ erklärte ihr Hannibal, „das tun unsere Beine immer, nachdem sie ausgerissen worden sind. Mein Bein lief, aber weil ich nicht dabei war, wußte es nicht wohin. So zappelte es nur planlos auf demselben Fleck herum, und der Mensch sah zu, faßte seine Nase an und lächelte dabei, herzlos wie er ist, über das Pflichtbewußtsein meines Beins.“

„Das ist unmöglich,“ sagte die kleine Biene ganz eingeschüchtert, „ein abbes Bein kann nicht krabbeln.“

„Was ist ein abbes Bein?“ fragte Hannibal.

Maja sah ihn an. „Das ist ein Bein, das ab ist,“ erklärte sie, „bei uns zu Haus sagte man so.“

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.