Maja schlug die Hände zusammen.

„Nein so was!“ rief sie. „Aber hätten Sie für möglich gehalten, daß so zarte Beine, dünn wie Haare, so beweglich und nützlich sein können, daß man sie wirklich gebrauchen kann, und daß sie wissen, was sie tun sollen? Ich finde, das ist ein Wunder, Fridolin.“

„Ach was,“ sagte der Borkkäfer, „wenn etwas komisch ist, so lacht man, damit basta.“

„Ich habe aber keine Lust dazu,“ antwortete Maja, „oft lacht man über etwas, und später stellt sich heraus, daß man es nur nicht verstanden hat.“

Da war der Fremde herangekommen, er schaute von der Höhe seiner Beine, aus all den spitzen Dreiecken heraus, auf Maja nieder und sagte: „Guten Morgen! Ein rechter Brausewind, meine zwei Herrschaften, ein Zuglüftlein recht derber Art, nicht wahr, oder — wie? Meinten Sie vielleicht etwas anderes?“ Und er hielt sich fest, so gut er konnte.

Fridolin verbarg sein Lachen, aber die kleine Maja antwortete höflich, das sei auch ihre Meinung, deshalb sei sie heute nicht ausgeflogen. Dann stellte sie sich vor. Der Fremde schielte durch seine Knie hindurch auf sie nieder.

„Maja, vom Volk der Bienen,“ wiederholte er, „das freut mich aufrichtig, ich habe viel von den Bienen gehört. Ich muß Ihnen gestehn, daß ich immer etwas in Verlegenheit gerate, wenn ich mich jemandem vorstellen soll, denn unsere sehr verbreitete Familie ist unter den verschiedensten Namen bekannt. Man nennt uns Weberknechte, Schneider oder Schuster. Jedenfalls gehöre ich zur Gattung der Spinnen, und mein Rufname ist Hannibal.“

Die Namen der Spinnen haben einen bösen Klang bei allen kleineren Insekten, Maja konnte ihren Schreck nicht ganz verbergen, zumal sie ihrer Gefangenschaft bei der Spinne Thekla gedachte; aber Hannibal schien nichts davon zu merken. Sie dachte, wenn es sein muß, flieg’ ich, da kann er mir nachschauen, Flügel hat er nicht, und sein Netz ist anderswo.

„Ich bin in Gedanken, sehr in Gedanken,“ sagte Hannibal, „wenn Sie erlauben, trete ich etwas näher, dort hinter dem großen Ast bin ich geschützt.“

„Bitte schön“, sagte Maja und machte Platz. Fridolin verabschiedete sich, aber die kleine Biene wollte nun doch gerne wissen, was es mit Hannibal für eine Bewandtnis hätte. Was es doch alles für Tiere in der Welt gibt, dachte sie, immer wieder entdeckt man irgendein neues.

Der Wind hatte etwas nachgelassen, und die Sonne schien durch die Baumzweige. Irgendwo unten im Buschwerk stimmte ein Rotkehlchen sein Lied an und erfüllte den Wald mit Glück. Maja konnte es auf einem Zweig sitzen sehen, sie sah, wie die Kehle sich beim Singen bewegte, und der Vogel hatte sein Köpfchen emporgerichtet gegen das Licht.

„Wenn ich doch singen könnte,“ sagte die kleine Maja, „so wie dort das Rotkehlchen, ich setzte mich auf eine Blume und täte es den ganzen Tag.“

„Dabei würde etwas Nettes herauskommen,“ meinte Hannibal, „Sie mit Ihrem Gesumm.“

„Der Vogel sieht so glücklich aus“, sagte die Biene.

„Sie sind eine phantastische Person“, meinte der Weberknecht. „Wenn alle Tiere sich etwas anderes wünschten, als sie können, so würde bald die Welt auf dem Kopf stehen. Denken Sie sich, ein Rotkehlchen glaubte, es müßte partout einen Stachel haben, oder eine Ziege wollte herumfliegen und Honig sammeln. Dann käme am Ende noch der Frosch und wünschte sich solche Beine, wie ich sie habe.“

Maja lachte.

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