In der Nähe der Baumhöhle, in der die kleine Maja ihre Sommerwohnung aufgeschlagen, hatte sich in der Rinde der Kiefer der Borkkäfer Fridolin mit seiner Familie angesiedelt. Er war ein arbeitsamer und ernster Mann, der viel Sorgfalt auf die Fortpflanzung seiner Familie legte und es auf diesem Gebiet zu hübschen Erfolgen gebracht hatte. Er sah mit Stolz auf etwa fünfzig regsame Söhne zurück, die alle zu den besten Hoffnungen berechtigten. Sie gruben sich unter der Baumrinde jeder seinen kleinen gewundenen Kanal und fühlten sich darin wohl.

„Meine Frau hat es so eingerichtet, daß keiner dem anderen in die Quere kommt“, sagte Fridolin zu Maja. „Meine Söhne kennen sich noch nicht, ihre Lebenswege gehn alle nach verschiedenen Richtungen.“

Maja kannte Fridolin schon lange. Sie wußte wohl, daß die Menschen ihn und sein Geschlecht nicht eben liebten, aber sie selbst fand sein Wesen und seine Gesinnungsart sehr liebenswürdig und hatte bisher nicht Grund gehabt, ihn zu meiden. Morgens, wenn der Wald noch schlief und die Sonne noch nicht aufgegangen war, hörte sie oft sein feines Pochen und Bohren, ganz leise klang es wie ein feines Rieseln, oder als atmete der Baum im Schlaf. Später fand sie dann den dünnen braunen Staub, den er aus seinem Gang geschafft hatte.

Eines Morgens kam er früh zu ihr, wie er es oft tat, und erkundigte sich danach, ob Maja gut geschlafen habe.

„Fliegen Sie heute nicht?“ fragte er.

„Nein,“ sagte Maja, „es ist zu windig.“

Das war es in der Tat. Der Wald brauste und schüttelte seine Äste wild und aufgeregt, und die Blätter an seinen Zweigen sahen aus, als ob sie fortflattern wollten. Jedesmal, wenn wieder ein Windstoß kam, wurde es etwas heller umher, und man hatte den Eindruck, als wären die Bäume um vieles kahler. In der Kiefer, auf der Fridolin und Maja lebten, pfiffen die Stimmen des Windes mit ganz hellem Sausen, es klang, als ob der Baum erregt und zornig sei.

Fridolin seufzte. „Ich habe die ganze Nacht gearbeitet,“ erzählte er, „was bleibt einem übrig? Man muß sehn, daß man etwas erreicht. Ich bin auch mit dieser Kiefer nicht recht zufrieden, ich hätte mich an eine Tanne heranmachen sollen.“ Er trocknete sich die Stirn und lächelte nachsichtig.

„Wie geht es Ihren Kindern?“ fragte Maja freundlich.

Fridolin dankte. „Ich überseh die Sache nicht mehr recht,“ sagte er zögernd, „aber ich gebe mich der Hoffnung hin, daß alle gedeihn.“

Wie er so dasaß, ein kleiner brauner Mann, mit seinem Brustschild, das aussah wie ein viel zu großer Kopf, und seinen kurzen, etwas gestutzten Flügeldecken, fand Maja, daß er beinahe etwas komisch wirkte, aber sie wußte wohl, daß er ein gefährlicher Käfer war und den mächtigen Waldbäumen großen Schaden tun konnte. Fiel sein Volk in großen Scharen über einen Baum her, so war es bald um seine grünen Nadeln geschehen, er mußte welken und sterben und hatte keine Mittel, sich gegen die kleinen Räuber zu wehren, die ihm seine Rinde zerstörten, durch die der Saft in die Wipfel steigt. Man erzählte, daß seinem Volke schon ganze Wälder zum Opfer gefallen seien. Maja betrachtete ihn nachdenklich, und ihr ward ganz feierlich zumute, wenn sie bedachte, wie bedeutungsvoll und mächtig dies kleine Tier werden konnte.

Da seufzte Fridolin und sagte bekümmert. „Ach, das Leben wäre schön, wenn es keine Spechte gäbe.“

„Ja, ja,“ nickte Maja, „der Specht, das ist wahr, er frißt auf, was er findet.“

„Wenn es nur das wäre,“ meinte Fridolin, „wenn leichtsinnige Leute, die sich außen auf der Rinde umhertreiben, ihm als Beute zufielen, würde ich sagen: Gut, schließlich will auch ein Specht leben. Aber ich finde es unverantwortlich, daß dieser Vogel einen bis unter die Rinde verfolgt, bis in die Schlupfwinkel und bis tief in unsere Gänge hinein.“

„Nein,“ sagte Maja, „das kann er nicht. Dazu ist er zu groß, soviel ich weiß.“

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