Sie dachte wohl, daß der Gänserich seine Bedenken dabei haben würde. Der aber ließ sich nicht anfechten. »Ihr seid wirklich klug, daß ihr es versteht, einen so sichern Schlafplatz zu erwählen,« sagte er.

»Aber du stehst uns dafür ein, daß er sich morgen nach Hause begibt.« – »Ja, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als euch ebenfalls zu verlassen,« sagte der Gänserich. »Ich habe versprochen, daß ich ihn nicht im Stich lassen will.«

»Es steht dir frei, zu fliegen, wohin du willst,« entgegnete die Führergans.

Damit hob sie die Flügel und flog über das Eis dahin, und eine wilde Gans nach der andern folgte ihr.

Der Junge war betrübt, daß nun aus seiner Reise nach Lappland nichts wurde, und außerdem ängstigte er sich vor dem kalten Nachtquartier. »Das wird ja immer schlimmer, Gänserich,« sagte er. »Erstens erfrieren wir draußen auf dem Eise.«

Aber der Gänserich war guten Mutes. »Das hat keine Not,« sagte er. »Jetzt will ich dich nur bitten, so schnell wie möglich soviel Gras und Stroh zusammenzusammeln, wie du nur tragen kannst.«

Als der Junge den ganzen Arm voll von welkem Gras hatte, packte ihn der Gänserich in seinen Hemdbund, hob ihn empor und flog auf das Eis, wo die wilden Gänse schon standen und schliefen, den Schnabel unter dem Flügel.

»Breite nun das Gras auf das Eis aus, damit ich etwas habe, worauf ich stehen kann, ohne festzufrieren. Hilfst du mir, dann werde ich dir auch helfen,« sagte der Gänserich.

Das tat der Junge, und sobald er fertig war, packte der Gänserich ihn noch einmal in den Hemdbund und steckte ihn unter seinen Flügel. »Da, denke ich, wirst du gut und warm liegen,« sagte er und klemmte den Flügel fest heran.

Der Junge lag so in Daunen eingepackt, daß er nicht antworten konnte, aber herrlich warm lag er, und müde war er, und schlafen tat er im selben Augenblick.

Die Nacht.

Es ist eine alte Wahrheit, daß Eis immer verräterisch ist, und daß man sich nicht darauf verlassen kann. Mitten in der Nacht geriet die Eisscholle auf dem Vombsee in Bewegung, so daß sie an einer einzelnen Stelle gegen das Ufer stieß. Und nun geschah es, daß Reineke Fuchs, der zu jener Zeit an der östlichen Seite des Sees im Park bei Övedskloster wohnte, dies entdeckte, als er auf einer nächtlichen Jagd draußen war. Reineke hatte die wilden Gänse schon am Abend gesehen, aber er hatte nicht erwartet, einer von ihnen habhaft zu werden. Jetzt begab er sich schnell auf das Eis hinaus.

Als Reineke ganz dicht bei den wilden Gänsen angelangt war, glitt er aus, so daß seine Klauen gegen das Eis kratzten. Die Gänse erwachten und schlugen mit den Flügeln, um sich in die Luft emporzuschwingen. Aber Reineke war ihnen zu flink. Wie aus einer Kanone geschossen, kam er angesaust, faßte eine Gans am Flügel und stürzte wieder an das Ufer zurück.

Aber in dieser Nacht waren die wilden Gänse nicht allein auf dem Eise; sie hatten einen Menschen unter sich, wie klein der auch war. Der Knabe erwachte durch das Flügelschlagen des Gänserichs. Er war auf das Eis hinabgefallen und saß da nun ganz wach. Er hatte von dem ganzen Spektakel nichts verstanden, bis er einen kleinen kurzbeinigen Hund mit einer Gans im Maul über das Eis davonlaufen sah.

Der Junge lief gleich hinterdrein, um dem Hund die Gans wegzunehmen. Wohl hörte er den Gänserich hinter sich dreinrufen: »Nimm dich in acht, Däumeling! Nimm dich in acht!« – »Aber vor so einem kleinen Hund brauche ich doch nicht bange zu sein,« dachte der Junge und stürmte dahin.

Die wilde Gans, die Reineke Fuchs geraubt hatte, hörte den Lärm von den Holzschuhen des Jungen, die auf dem Eise klapperten, und sie wollte ihren eigenen Ohren kaum trauen. »Glaubt der Knirps, daß er mich dem Fuchs entreißen kann?« dachte sie. Und wie übel es ihr auch erging, es begann in ihrer Kehle ganz munter zu glucksen, fast als lache sie.

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