ist, der er ist.« – »Was meinst du damit, Goldauge?« fragte Daunenfein. Goldauge wollte anfänglich nicht mit der Sprache heraus, schließlich aber entfuhr es ihr, daß Flügelschön und sie darüber geredet hätten, ob es mit dem weißen Gänserich wohl seine Richtigkeit habe. »Wir haben noch nie gesehen, daß eine weiße Gans mit den Wildgänsen fliegt,« sagte die Schwester, »und wir haben gedacht, ob er wohl verhext ist.« – »Seid ihr verrückt? Er ist ja ein zahmer Gänserich,« sagte Daunenfein gekränkt. – »Er hat einen bei sich, der verhext ist, da kann er ebenso gut selbst verhext sein. Bist du nicht bange, daß er am Ende eine schwarze Scharbe ist?«

Sie verlieh ihren Worten den nötigen Nachdruck und machte die arme Daunenfein ganz ängstlich, »Du weißt ja gar nicht, was du sagst,« entgegnete die kleine graue Gans. »Du willst mich nur bange machen.« – »Ich will dein Bestes, Daunenfein,« sagte Goldauge. »Ich kann mir nichts Schlimmeres denken, als dich mit einer schwarzen Scharbe wegfliegen zu sehen. Aber nun will ich dir etwas sagen: Versuche, ihn dazu zu bringen, daß er einige von den Wurzeln frißt, die ich hier gesammelt habe. Ist er verhext, so wird sich das sofort zeigen. Ist er es nicht, so bleibt er, was er ist.«

Niels Holgersen saß mitten zwischen den Gänsen und lauschte Akkas und des alten Gänserichs Unterhaltung, als Daunenfein geflogen kam. »Däumling! Däumling!« rief sie, »Martin liegt im Sterben, und ich habe ihn getötet!« – »Laß mich auf deinem Rücken sitzen, Daunenfein, und bringe mich zu ihm!« rief der Junge. Sie flogen davon und Akka und die Wildgänse folgten ihnen. Als sie zu dem Gänserich kamen, lag der an der Erde. Er konnte nichts sagen, er schnappte nur nach Luft. »Kitzle ihn unter der Kehle und klopfe ihn auf den Rücken!« sagte Akka. Das tat der Junge, und im selben Augenblick hustete der große Weiße eine lange Wurzel heraus, die sich ihm im Halse festgesetzt hatte. »Hast du davon gefressen?« fragte Akka und zeigte auf einige Wurzeln, die an der Erde lagen. »Ja,« antwortete der Gänserich. – »Dann ist es ein Glück, daß sie dir im Halse stecken blieben,« sagte Akka. »Sie sind giftig. Hättest du sie heruntergeschluckt, so wärest du unfehlbar gestorben.« – »Daunenfein hat mich gebeten, sie zu essen,« sagte der Gänserich. – »Ich habe sie von meiner Schwester bekommen,« entgegnete Daunenfein und erzählte das Ganze. – »Du mußt dich vor deinen Schwestern in acht nehmen, Daunenfein,« warnte Akka, »denn sie haben es sicher nicht gut mit dir im Sinne.«

Daunenfeins Gemüt war aber so beschaffen, daß sie niemand etwas Böses zutrauen konnte, und als Flügelschön nach einer Weile kam und ihr ihren Liebsten zeigen wollte, ging sie sogleich mit. »Ja, er ist nicht so schön wie der, den du bekommst, aber viel tapferer und verwegener.« – »Woher weißt du das?« fragte Daunenfein. – »Hier ist in letzter Zeit großer Jammer unter den Möwen und Enten auf der Schäre gewesen, denn jeden Morgen bei Tagesgrauen kommt ein fremder Raubvogel und holt sich eine von ihnen.« – »Was für ein Vogel ist das?« fragte Daunenfein. – »Das wissen wir nicht,« sagte die Schwester. »Wir haben nie einen seiner Art hier auf der Schäre gesehen, und das merkwürdige ist. daß er nie eine von uns Gänsen anfällt. Aber nun hat mein Liebster sich vorgenommen, morgen mit ihm zu kämpfen und ihn zu vertreiben.« – »Möchte es ihm doch gelingen!« sagte Daunenfein. – »Ich bin bange, daß die Sache nicht gut abläuft,« entgegnete die Schwester. »Wäre mein Gänserich nur so groß und stark wie der deine, so könnte ich doch etwas Hoffnung haben.« – »Möchtest du gern, daß ich den Gänserich Martin bitte, gegen den fremden Vogel zu gehen?« fragte Daunenfein. – »Ja, das möchte ich allerdings gern,« sagte Flügelschön. »Einen größeren Gefallen könntest du mir nicht erweisen.«

Am nächsten Morgen war der Gänserich vor der Sonne wach, stellte sich oben auf die höchste Spitze der Schäre und spähte nach allen Seiten. Bald sah er einen großen, dunklen Vogel von Westen herkommen. Die Flügel waren unendlich lang, und es gehörte nicht viel dazu, um zu begreifen, daß es ein Adler war.

Der Gänserich war auf keinen gefährlicheren Feind als auf eine Eule gefaßt gewesen, und nun sah er ein, daß er wohl kaum mit dem Leben davon kommen würde. Aber es fiel ihm auch nicht einen Augenblick ein, daß es ein Unding war, sich auf einen Kampf mit einem Vogel einzulassen, der so viel stärker war als er.

Der Adler schoß auf eine Möwe nieder und schlug die Fänge in sie. Ehe er wieder aufsteigen konnte, kam der Gänserich Martin gefahren. »Laß sie los! rief er. »Und komm nie wieder hierher, sonst kriegst du es mit mir zu tun!« – »Was für ein Tollkopf bist denn du?« fragte der Adler. »Ein Glück für dich, daß es nicht meine Gewohnheit ist, mit Gänsen zu kämpfen. Sonst würde es bald aus sein mit dir!«

Der Gänserich Martin glaubte, daß sich der Adler zu gut halte, mit ihm zu kämpfen und fuhr auf ihn ein, biß ihn in die Kehle und schlug ihn mit den Flügeln. Darin konnte sich der Adler natürlich nicht finden, er schlug wieder, doch nicht mit voller Kraft.

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