Freitag, 29. April.

An diesem Tage bekam Niels Holgersen das südliche Dalarna zu sehen. Die wilden Gänse lenkten ihren Flug über das gewaltige Grubenfeld von Grängesberg, über die großen Anlagen bei Ludvika, über das Eisenwerk von Ulvshytten und das alte, verlassene Werk von Grängshammar, bis ganz hinauf zu den Ebenen von Stora Tuna und dem Dalelf. Als Niels zu Anfang der Fahrt hinter jedem Bergrücken Fabrikschornsteine aufragen sah, meinte er, das Ganze sei wie in Vestmanland, aber als er über den großen Elf kam, sollte er etwas Neues kennen lernen. Es war der erste richtige Fluß, den der Junge sah, und es machte einen gewaltigen Eindruck auf ihn, diese große, breite Wassermasse durch das Land dahingleiten zu sehen.

Als die Wildgänse die Floßbrücke von Torsång erreicht hatten, machten sie Kehrt und flogen nach Nordwesten an dem Elf entlang, als wollten sie ihn zum Wegweiser benutzen. Der Junge saß da und sah auf die Ufer hinab, wo eine ganze Strecke lang ein Gebäude neben dem anderen lag. Er sah den großen Wasserfall bei Domnarfvet und Kvarnsveden und die großen Fabriken, die er zu treiben hatte. Er sah die Floßbrücken, die auf dem Elf ruhten, die Fähren, die er zu tragen hatte, die Balken, die er von dannen führte, die Eisenbahnen, die an ihm entlang liefen oder quer über ihn hinweg, und nach und nach wurde es ihm klar, was für ein großes und merkwürdiges Gewässer dies war.

Der Elf machte einen großen Bogen nach Norden. In der Krümmung war es öde und menschenleer, und die Wildgänse ließen sich auf einer Wiese nieder, um zu grasen. Der Junge lief von ihnen fort bis ganz an den Abhang, um den Elf zu betrachten, der in einem breiten Bett tief unter ihm dahinfloß. Eine Landstraße führte ganz an den Elf heran, und die Reisenden wurden auf einer Fähre übergesetzt. Das war etwas Neues für Niels, und es belustigte ihn es anzusehen, aber plötzlich wurde er von einer schrecklichen Müdigkeit befallen. »Ich muß ein wenig schlafen. Ich habe diese Nacht ja kaum ein Auge geschlossen,« dachte er, kroch in einen dichten Grasbüschel hinein, verbarg sich, so gut er konnte, unter Gras und Stroh und schlief ein. Er erwachte davon, daß er einige Menschen, die auf der Wiese saßen, sprechen hörte. Sie waren auf der Landstraße gekommen, konnten aber nicht über den Elf gesetzt werden, weil große Eisstücke stromabwärts schwammen und die Überfahrt hinderten. Während sie warteten, gingen sie auf die Wiese, setzten sich dort hin und redeten darüber, wie beschwerlich es doch mit dem Elf sei.

»Ich möchte wohl wissen, ob wir in diesem Jahr wieder eine solche Überschwemmung haben werden wie im vergangenen,« sagte ein Bauer. »Da ging der Elf daheim bei uns ganz bis an die Telephonstangen hinauf und nahm unsere ganze Floßbrücke mit fort.«

»Im vergangenen Jahr hat er in unserer Gegend keinen sonderlichen Schaden angerichtet,« sagte ein anderer, »aber das Jahr vorher nahm er mir eine ganze Scheune voll Heu weg.«

»Nie vergesse ich die Nacht, als er die große Brücke bei Domnarfvet zerstörte,« warf ein Eisenbahnarbeiter dazwischen. »In der Nacht hat niemand auf dem ganzen Werk ein Auge geschlossen.«

»Freilich richtet der Elf viel Schaden an,« sagte ein großer, stattlicher Mann, »aber wenn ich euch so schlecht von ihm reden höre, kann ich nicht umhin, an den Propst daheim zu denken. Es war ein Fest im Hause des Propstes und die Leute saßen da und beklagten sich über den Elf, genau so, wie ihr es jetzt tut, da aber wurde der Propst ganz zornig und sagte, er wolle uns eine Geschichte erzählen. Und als er geendet hatte, war da niemand, der auch nur ein böses Wort über den Dalelf hätte sagen können, und ich möchte wohl wissen, ob es euch nicht ebenso ergangen wäre, wenn ihr mit dabei gewesen wäret.«

Als die Wartenden das hörten, wollten sie alle wissen, was der Propst von dem Elf gesagt hatte, und der Bauer erzählte dann die Geschichte, so gut er sich ihrer entsinnen konnte.

»Oben an der norwegischen Grenze lag ein Bergsee. Dem entströmte ein Bach, der gleich von Anfang an trotzig und heftig war. So klein er war, wurde er doch Storaa, der große Bach, genannt, weil es so aussah, als könne etwas Tüchtiges aus ihm werden.

Gleich als er aus dem See herauskam, warf er einen Blick um sich; er wollte sehen, welche Richtung er am besten einschlagen solle; aber es war im Grunde kein ermunternder Anblick, der ihm da entgegentrat. Rechts, links und geradeaus war nichts zu sehen als waldbedeckte Bergrücken, die nach und nach in kahle Felswände übergingen und sich allmählich zu hohen Berggipfeln erhoben.

Der Storaa warf den Blick nach links. Dort hatte er den Langfjeld mit dem Djupgravstöt, Barrfröhågna und Storvätteshågna. Er sah gen Norden; dort hatte er den Näsfjeld, im Osten stand der Nipfjeld und im Süden der Städjan. Er war nahe daran zu denken, ob es nicht am klügsten sei, wieder in den See zurückzukehren. Aber dann fand er, daß er doch wenigstens einen Versuch machen müsse, den Weg zum Meer zu finden, und so machte er sich denn auf die Wanderschaft.

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