Als die Studenten in den Garten kamen, wo die Rasenplätze mit dem ersten, feinen, hellgrünen Gras bedeckt waren, und die Blätter der Bäume im Begriff standen, die Knospen zu sprengen, stellten sie sich vor einer Rednertribüne auf, die ein alter Mann bestieg, um eine Ansprache an sie zu halten.

Die Rednertribüne war auf der Treppe vor den großen Treibhäusern errichtet, und der Rabe setzte den Jungen auf das Dach des Treibhauses. Da saß er in guter Ruhe und sah und hörte. Der alte Mann auf der Rednertribüne sagte, das beste im Leben sei, jung zu sein und seine Jugendjahre in Upsala zu verbringen. Er sprach von der guten, friedlichen Arbeit bei den Büchern und der reichen, lichten Jugendfreude, die nirgends so genossen werden könne wie in dem großen Kameradenkreis. Das mache die Arbeit so vergnüglich, ließe die Sorgen so leicht vergessen, mache die Hoffnung so licht.

Der Junge saß da und sah auf die Studenten herab, die in einem Halbkreis um die Rednertribüne standen, und ihm ging das Verständnis dafür auf, daß es nichts Schöneres gebe, als zu diesem Kreis zu gehören. Das war ein Glück und eine große Ehre. Jeder einzelne wurde zu etwas mehr, als er sonst gewesen sein würde, wenn er zu einer solchen Schar gehörte.

Nach der Rede wurde wieder gesungen, und auf den Gesang folgten von neuem Reden.

Der Junge hatte nie eine Ahnung oder einen Begriff davon gehabt, daß man Worte so zusammensetzen konnte, daß sie Macht erhielten, zu rühren und erfreuen und begeistern, so wie diese.

Niels hatte hauptsächlich die Studenten angesehen, aber er bemerkte doch, daß sie nicht die einzigen im Garten waren. Da waren auch junge Mädchen in hellen Kleidern und feinen Frühlingshüten, sowie viele andere Leute. Aber es erging ihnen wie dem Jungen, es schien, als seien sie nur gekommen, um die Studenten zu sehen.

Hin und wieder entstand eine Pause zwischen den Reden und dem Gesang, und da zerstreute sich die Schar über den ganzen Garten. Bald aber stand ein neuer Redner auf der Tribüne, und sogleich scharten sich die Zuhörer wieder um ihn. Und so ging es weiter, bis die Nacht hereinbrach.

Als das Ganze vorbei war, atmete der Junge tief auf und rieb seine Augen, als erwache er aus dem Schlaf. Er war in einem Lande gewesen, das er noch nie besucht hatte. Alle diese Menschen, die sich des Lebens freuten und der Zukunft siegesstolz entgegensahen, verbreiteten Heiterkeit und Freude um sich wie einen Ansteckungsstoff, und der Junge war ebenso wie sie im Reiche der Freude gewesen. Aber als die Töne des letzten Liedes hinstarben, fühlte der Junge, wie trübselig sein eigenes Leben war, und er konnte sich nach dem eben Erlebten kaum überwinden, zu seinen Reisekameraden zurückzukehren.

Der Rabe hatte neben dem Jungen gesessen, und nun flüsterte er ihm ins Ohr: »Jetzt will ich dir erzählen, Däumling, wie du wieder Mensch werden kannst. Du mußt warten, bis du jemand triffst, der dir sagt, daß er gern an deiner Stelle sein und mit den Wildgänsen reisen wolle. Dann mußt du den Augenblick ergreifen und zu ihm sagen: ...« Und nun lehrte Bataki den Jungen einige Wörter, die so kräftig und gefährlich waren, daß man sie nicht laut sagen, sondern nur flüstern konnte, bis die Zeit kam, wo man sie allen Ernstes gebrauchen sollte. »Ja, mehr gehört nicht dazu, daß du wieder Mensch werden kannst,« sagte Bataki schließlich.

»Nein, das will ich schon glauben,« entgegnete der Junge, »denn ich treffe natürlich niemals jemand, der sich an meine Stelle wünschen würde.«

»Ach, das ist doch nicht so unmöglich,« meinte der Rabe, und dann flog er mit dem Jungen in die Stadt und setzte ihn vor einem Mansardenfenster auf das Dach. In der Stube brannte eine Lampe, das Fenster war nur angelehnt, und Niels stand lange da und dachte, wie glücklich der Student sein müsse, der da drinnen lag und schlief.

Die Probe.

Der Student fuhr aus dem Schlaf auf und sah, daß die Lampe auf dem Nachttisch stand und brannte. »Ach, da habe ich vergessen, die Lampe auszulöschen,« dachte er und richtete sich auf dem Ellbogen auf, um sie herunterzuschrauben. Ehe er sie aber noch ausgelöscht hatte, gewahrte er, daß sich auf dem Schreibtisch etwas bewegte.

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