Mittwoch, 5. Oktober.

Am nächsten Tage, als die Wildgänse Rast machten und Akka ein wenig abseits von den anderen graste, benutzte Niels Holgersen die Gelegenheit, sie zu fragen, ob es wahr sei, was Batati gesagt hatte; und Akka konnte es nicht leugnen. Da nahm der Junge der Führergans das Versprechen ab, daß sie dem Gänserich Martin das Geheimnis niemals verraten wolle. Denn der große Weiße war so tapfer und edelmütig, daß der Junge fürchtete, es könne ein Unglück daraus entstehen, wenn er die Bedingung des Kobolds erfahre.

Nun saß der Junge traurig und stumm auf dem Rücken des Gänserichs, ließ den Kopf hängen und machte sich nichts daraus, sich umzusehen. Er hörte die Wildgänse den Jungen zurufen, jetzt flogen sie nach Dalarna hinein; jetzt konnten sie den Städjan oben im Norden sehen, jetzt flogen sie über den Osterdalelf, jetzt waren sie beim Hormundsee, und jetzt hatten sie die Talfirt des Vesterdalelfs unter sich. »Ich werde ja voraussichtlich mein ganzes Leben mit den Wildgänsen umherziehen müssen,« dachte er, »da bekomme ich mehr als genug von diesem Lande zu sehen«

Es ermunterte ihn nicht, daß die Wildgänse riefen, jetzt seien sie nach Värmland hineingekommen, und der Elf, dessen Lauf gen Süden sie folgten, sei der Klarelf. »Ich habe schon so viele Elfe gesehen,« dachte er, »ich brauche mir nicht die Mühe zu machen, noch einen anzusehen.«

Selbst wenn er mehr Lust gehabt hätte, Umschau zu halten, wäre nicht viel zu sehen gewesen, denn in dem nördlichen Värmland gibt es nichts weiter als große, einförmige Wälder, durch die sich der Klarelf schmal und schäumend hindurchschlängelt. Hier und da sieht man einen Kohlenmeiler, einen Brandfleck oder einige niedrige Häuser ohne Schornsteine, in denen Finnen wohnen. Aber der größte Teil des Waldes steht so unberührt, daß man glauben könnte, man sei hoch oben in Lappland.

Die Wildgänse ließen sich auf einem Kornacker mitten im Walde, nahe am Ufer des Klarelfs nieder, und während die Gänse dort in dem frischen, eben hervorsprossenden Winterroggen weideten, hörte der Junge Lachen und lautes Reden aus dem Walde herausschallen. Es waren sieben kräftige Männer, die, den Ränzel auf dem Rücken und die Axt über der Schulter, dahergegangen kamen. An diesem Tage hatte der Junge eine so unbeschreibliche Sehnsucht nach Menschen, daß er sich förmlich freute, als die sieben Arbeiter die Ränzel abnahmen und sich am Ufer des Elfs niederwarfen, um auszuruhen.

Der Mund stand ihnen keinen Augenblick still, und der Junge lag hinter einem Erdhaufen und freute sich darüber, Menschenstimmen zu hören. Er erfuhr bald, daß es Värmländer waren, auf dem Wege nach Norrland, wo sie Arbeit suchen wollten. Es waren fröhliche Menschen, und sie hatten viel zu erzählen, denn sie hatten in vielen verschiedenen Orten gearbeitet. Aber während sie nun dort saßen und plauderten, kam es, daß einer ganz zufällig sagte, er habe ja doch in allen Teilen von Schweden gearbeitet, nie aber habe er eine Gegend gesehen, die schöner sei wie die Nordmark da oben im westlichen Värmland, wo er zu Hause sei.

»Darin stimme ich mit dir überein, wenn du nur statt Nordmark Frytsdal sagen willst, wo ich meine Heimat habe,« fiel ihm einer von den anderen in die Rede. – »Ich bin aus dem Jösser Bezirk,« sagte ein dritter, »und ich kann euch die Versicherung geben, daß es dort noch viel schöner ist als in der Nordmark und im Fryksdal.«

Es stellte sich nun heraus, daß alle die sieben Männer aus verschiedenen Teilen von Värmland waren, und daß ein jeder seine Heimatsgegend für schöner und besser hielt als die der anderen. Sie gerieten in Streit darüber, und keiner von ihnen war imstande, die anderen zu überzeugen, daß er recht hatte. Es sah fast so aus, als sollten sie sich ernstlich entzweien. Da kam ein alter Mann mit langem, schwarzem Haar und kleinen, zwinkernden Augen vorüber, »Worüber zankt ihr euch denn hier, ihr Leute?« fragte er. »Ihr schreit ja so, daß man es durch den ganzen Wald hören kann.«

Einer der Värmländer wandte sich rasch an den Alten. »Du bist wohl ein Finne, da du hier so hoch oben im Walde umherwanderst?« – »Freilich bin ich ein Finne,« antwortete der Gefragte. – »Das trifft sich ja gut,« sagte der Mann, »Ich habe oft gehört, ihr Finnen hättet mehr Verstand als andere Menschen.« – »Ein guter Leumund ist besser als Gold,« entgegnete der Finne, – »Wir sitzen hier und streiten uns darüber, welcher Teil von Värmland der beste ist. Könntest du es nicht vielleicht übernehmen, den Streit zu schlichten, damit wir uns um dieser Sache willen nicht entzweien?« – »Ich will entscheiden, so gut ich kann,« sagte der Finne, »aber ihr müßt Geduld mit mir haben, denn erst muß ich euch eine alte Geschichte erzählen.«

»In alten Zeiten,« begann der Finne, indem er sich zu den Männern setzte, »sah all das Land, das nördlich vom Wenersee liegt, ganz schrecklich aus. Es war so voll von kahlen Hochebenen und steilen Bergen, daß es

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