Aber sie fuhren fort zu murmeln, obwohl er ihnen noch einmal zurief, daß sie still sein sollten.

»Als Mutter fortging,« sagte eine klare, kleine Stimme, »hat sie mir das Versprechen abgenommen, daß ich jeden Abend mein Abendgebet sprechen soll. Und das muß ich tun, und Birte Marie auch. Wenn wir ›Nun schließ ich meine Augen‹ gebetet haben, werden wir ganz still sein.«

Der Bauer saß da, ohne sich zu rühren, und hörte die Kleinen ihr Gebet sagen. Dann ging er auf und nieder, auf und nieder mit langen Schritten, und dabei rang er seine Hände, als sei er in großer Not.

Das Pferd abgearbeitet und zuschanden gemacht und diese beiden Kinder an den Bettelstab gebracht! Und beides das Werk seines Vaters! Was sein Vater tat, war am Ende doch nicht ganz richtig gewesen.

Er setzte sich auf einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. Plötzlich begann es in seinem Gesicht zu zittern und zu beben, und Tränen traten ihm in die Augen. Er beeilte sich, sie abzutrocknen, aber es kamen neue Tränen, und er bekam genug damit zu tun, sie zu beseitigen. Aber es half alles nichts, es kamen immer mehr.

Nun öffnete die Mutter die Tür der Kammer, und er beeilte sich, den Stuhl so zu drehen, daß er ihr den Rücken zuwandte. Sie mußte aber doch etwas Ungewohntes bemerkt haben, denn sie blieb lange still hinter ihm stehen, als erwarte sie, daß er ihr etwas sagen werde. Aber dann fiel ihr ein, wie schwer es immer für einen Mann ist, über die Dinge zu reden, die ihm am meisten am Herzen liegen. Sie mußte wohl versuchen, ihm zu helfen.

Sie hatte von der Kammer aus gesehen, was in der Stube vor sich gegangen war, so daß sie nach nichts zu fragen brauchte. Ganz leise ging sie zu den schlafenden Kindern hin, nahm sie in ihre Arme und trug sie in ihr eigenes Bett in der Kammer. Darauf ging sie wieder zu dem Sohn hinaus.

»Hör einmal, Lars,« sagte sie und tat so, als sähe sie nicht, daß er weinte. »Die Kinder mußt du mir lassen.« – »Was sagst du da, Mutter?« fragte er und bemühte sich, seiner Tränen Herr zu werden. »Sie haben mir schon alle diese Jahre leid getan, seit dein Vater ihrer Mutter das Haus wegnahm. Und dir auch.« – »Hm.« – »Ich will sie hier behalten und ein Paar ordentliche Menschen aus ihnen machen. Sie sind zu gut, um herumzulaufen und zu betteln.«

Er konnte nicht antworten, denn jetzt stürzten ihm die Tränen aus den Augen, aber er nahm die alte Hand seiner Mutter und streichelte sie.

Dann aber fuhr er plötzlich auf, als fürchte er sich vor etwas. »Was würde Vater dazu sagen?« – »Vater hat seine Zeit gehabt, wo er befahl,« sagte die Mutter, »jetzt ist das an dir. Solange Vater lebte, mußten wir ihm gehorchen. Jetzt sollst du dich so zeigen, wie du bist.« – Der Sohn war so überrascht durch diese Worte, daß er zu weinen aufhörte. »Ich zeige mich doch so, wie ich bin,« sagte er. – »Nein,« erwiderte die Mutter, »das tust du nicht. Du gibst dir nur Mühe, deinem Vater ähnlich zu sein. Er hatte in kargen Zeiten gelebt, und das hatte ihm bange gemacht, daß er verarmen könne. Er hielt es für seine Pflicht, in erster Linie an sich selbst zu denken. Du aber hast nie etwas erlebt, was dich hart machen könnte. Du hast mehr, als du gebrauchst, und es würde unnatürlich sein, wenn du nicht auch an andere denken wolltest.«

Der Junge war hinter den kleinen Mädchen in die Stube gegangen und hatte sich in einer dunklen Ecke versteckt. Es dauerte nicht lange, bis er den Schlüssel in der Rocktasche entdeckt hatte. »Wenn der Bauer nun die Kinder zur Tür hinausjagt, nehme ich den Schlüssel und laufe damit weg, dachte er.

Die Kinder wurden also nicht zur Tür hinausgejagt, und der Junge saß in seiner Ecke und es wollte ihm nichts einfallen, was er tun könne. Die Mutter sprach lange mit ihrem Sohn, und während sie sprach, versiegten die Tränen, und schließlich saß er mit einem so schönen Ausdruck im Gesicht da und sah so aus wie ein anderer Mensch. Und während der ganzen Zeit streichelte er die alte Hand.

»Nun müssen wir aber wohl zu Bett,« sagte die Alte, als sie sah, daß er sich wieder beruhigt hatte. – »Nein,« sagte er und erhob sich schnell, »ich kann noch nicht zu Bett gehen. Da ist noch ein Gast, dem ich über nacht Obdach gewähren muß.«

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.