Nun war der Vater tot und der Hof hatte ihm schon ein paar Jahre gehört, aber er hatte nicht den geringsten Versuch gemacht, das Pferd zurückzukaufen. Er hatte seit langer Zeit nicht an das Tier gedacht – bis heute abend.

Es war sonderbar, daß er es so völlig hatte vergessen können. Aber sein Vater war ein sehr herrschsüchtiger und willensstarker Mann, und als er erwachsen war und sie beide immer zusammen arbeiteten, gewann der Vater große Macht über ihn. Schließlich fand er, daß alles, was der Vater tat, richtig war. Und als er den Hof bekam, bemühte er sich nur, vor allen Dingen so zu handeln, wie sein Vater gehandelt haben würde.

Er wußte sehr wohl, daß die Leute sagten, sein Vater sei geizig, aber es war doch richtig, den Daumen auf den Beutel zu halten und das Geld nicht unnötig wegzuwerfen. Man durfte doch das anvertraute Gut nicht vergeuden. Es war besser, geizig genannt zu werden und einen schuldenfreien Hof zu haben, als sich mit Wechseln herumzuschlagen wie die anderen Hofbesitzer.

Es klang, als wenn sich jemand über seine Klugheit lustig machte, und er wollte schon zornig werden, als er entdeckte, daß das Ganze ein Irrtum war. Es hatte angefangen zu wehen, und hier hatte er gestanden und war so schläfrig geworden, daß er das Heulen des Windes im Schornstein für eine Menschenstimme hielt!

Er wandte sich um und sah nach der Stubenuhr, und die schlug im selben Augenblick elf tiefe Schläge. Schrecklich, wie spät es geworden war!

»Es wird wohl Zeit, daß du zu Bett kommst,« dachte er. Da fiel ihm ein, daß er noch nicht seine Runde über den Hof gemacht hatte, wie er das jeden Abend zu tun pflegte, um zu sehen, ob alle Türen und Luken geschlossen, und ob alle Lichter ausgelöscht waren. Das hatte er noch nie versäumt, seit er Herr auf dem Hof gewesen war. Schnell zog er den Rock an und ging in das Unwetter hinaus.

Er fand alles, wie es sein sollte, bis auf die Tür der leeren Scheune, die der Wind aufgerissen hatte. Er ging ins Haus, um den Schlüssel zu holen, verschloß die Scheune und steckte den Schlüssel in die Rocktasche. Dann ging er wieder in die Stube, zog den Rock aus und hängte ihn ans Feuer. Es war ein fürchterliches Wetter draußen mit dem schneidend kalten Wind und dem schneegemischten Regen. Und in dem Wetter stand sein altes Pferd draußen, ohne auch nur eine Decke über sich zu haben. Er hätte ihm doch wohl Obdach geben sollen, wo es doch hier in die Gegend gekommen war.

Drüben im Wirtshaus, dem Bauerhof gegenüber hörte der Junge eine alte Wanduhr mit gesprungenem Klang elf Schläge schlagen. Da war er gerade im Begriff das Vieh loszubinden, um es nach der Scheune auf dem Bauerhof zu bringen. Es währte eine Weile, bis er sie alle geweckt und aufgerichtet hatte, aber schließlich war das in Ordnung, und in einer langen Reihe, der Junge als Wegweiser voran, kamen sie auf den Hof des geizigen Bauern gezogen.

Während der Junge mit alledem beschäftigt war, hatte der Bauer die Runde über den Hof gemacht und die Scheune abgeschlossen, und als Niels nun mit den Tieren kam, war die Tür geschlossen. Er blieb ganz bestürzt stehen. Nein, er konnte sie nicht dastehen lassen. Er mußte ins Haus und sich den Schlüssel verschaffen.

»Sorge du dafür, daß sie ruhig sind, während ich den Schlüssel hole,« sagte er zu dem alten Pferd, und damit lief er davon.

Mitten auf dem Hof blieb er stehen und überlegte, wie er ins Haus kommen sollte. Während er dastand, sah er zwei kleine Fußgänger des Weges kommen und vor dem Wirtshaus stehen bleiben.

Er sah sofort, daß es zwei kleine Mädchen waren, und er lief näher an sie heran, in der Hoffnung, daß sie ihm vielleicht helfen könnten.

»So, Birte Marie,« sagte die eine, »nun mußt du nicht mehr weinen. Nun sind wir bei dem Wirtshaus. Hier werden wir schon Unterkunft finden.«

Kaum hatte das kleine Mädchen das gesagt, als der Junge ihr zurief: »Nein, es nützt nichts, daß ihr versucht, Unterkunft im Wirtshaus zu finden. Das ist ganz unmöglich. Aber hier im Bauerhaus haben sie keine Gäste. Da solltet ihr hingehen.«

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