Am Nachmittag waren die Wildgänse mehrmals über den großen See hin und her geflogen, ehe sie sich entschließen konnten, wo sie sich niederlassen wollten. Und im Fluge hatten sie ihm die großen Kirchen und Dörfer gezeigt, die am Ufer lagen. Er hatte Leksand, Rättvik, Mora, dir Söllerö gesehen. Die Kirchdörfer waren so groß wie kleine Städte, und er hatte sich darüber gewundert, daß es hier im Norden so stark bebaut war. Er fand die ganze Gegend viel heller und freundlicher, als er es sich vorgestellt hatte, und er hatte nichts Unheimliches oder Gefahrdrohendes gesehen.

Aber nun, in der dunklen Nacht, flammte an diesen kleinen Ufern ein großer Kranz von hohen Feuern auf. Er sah sie in Mora, an dem nördlichen Ende des Sees leuchten und auf dem Gipfel des Söllerö, in Vikarbyen, auf den Bergen oberhalb Sjurberg, auf der Kirchlandzunge bei Nättvik und weiter auf Odder und Höje, ganz nach Leksand hinab. Er konnte über hundert Feuer zählen, und es war ihm ganz unmöglich, zu begreifen, wo die hergekommen waren, wenn da nicht Zauberei oder Spuk mit im Spiel war.

Die Wildgänse waren auch bei dem Schuß erwacht, aber sobald Akka einen Blick auf das Ufer geworfen hatte, sagte sie: »Das sind die Menschenkinder, die spielen.« Und sofort steckten sie und die anderen Gänse den Kopf unter den Flügel und schliefen wieder ein.

Aber der Junge stand da und sah die Feuer an, die das Ufer gleich einer langen Reihe goldener Kleinodien schmückten. Licht und Wärme lockten ihn ebenso stark, wie sie eine kleine Mücke anziehen, und er hatte die größte Lust, näher heranzugehen, aber er wußte nicht, ob er es wagen könne, die Gänse zu verlassen. Er hörte einen Schuß nach dem anderen, und da er nun begriffen hatte, daß keine Gefahr im Anzug war, lockte ihn auch das. Es schien, als wären sie so munter dort bei den Feuern, daß es für sie nicht genug war, zu lachen und zu rufen, sie mußten auch noch die Flinten zu Hilfe nehmen und schießen. Und dort bei einem Feuer, das auf einem Berge brannte, schossen sie Raketen ab. Sie hatten da ein großes Feuer, und es lag hoch oben, aber das genügte ihnen nicht. Es sollte noch schöner sein. Bis ganz hinauf in den Wolken des Himmels sollte es zu sehen sein, wie fröhlich sie waren.

Der Junge näherte sich ganz langsam dem Ufer, aber da drang Gesang bis zu ihm hinaus. Jetzt begann er auf das Land zu zu laufen. Er mußte wirklich mit dabei sein!

Ganz am Ende der Rättviker Bucht geht eine ungeheuer lange Dampferbrücke in das Wasser hinaus, und an der äußersten Spitze dieser Brücke stand eine Schar Sänger und sang in der späten Nachtstunde über den See hinaus. Es war, als glaubten sie, daß der Frühling so wie die wilden Gänse draußen auf dem Eis des Siljans schlafe, und als wollten sie ihn wecken.

Die Sänger begannen mit: »Ich weiß ein Land im hohen Norden«, und dann folgte: »Gar schön ist der Lenz, wenn die Erde sich freut!« darauf: »Nach Tuna geht der Marsch«, »Mannheit, Mut und freie Männer«, und schließlich: »In Dalarna wohnten, in Dalarna wohnt«. Es waren alles Lieder, die von Dalarna handelten. Auf der Dampferbrücke brannte kein Feuer, und die Sänger konnten sich nicht weit umsehen. Aber mit den Tönen stieg das Bild ihres Landes vor ihnen und vor allen, die sie hörten, klarer und schöner auf, als wenn es heller, lichter Tag gewesen wäre. Es war gleichsam, als wollten sie den Frühling rühren: »Sieh doch nur, welch schönes Land da liegt und auf dich wartet! Willst du uns denn nicht zu Hilfe kommen? Willst du den Winter wirklich noch lange seinen Druck auf diese schönen Gegenden legen lassen?«

So lange der Gesang währte, stand Niels Holgersen da und lauschte, als er aber verstummte, eilte er an Land. Ganz am Ende der Bucht war das Eis aufgetaut, aber da waren viele Sandbänke, so daß er doch glücklich nach einem Feuer hinüber gelangte, das am Ufer selbst lag. Mit großer Vorsicht schlich er so nahe heran, daß er die Menschen sehen konnte, die um das Feuer saßen und standen; er konnte sogar hören, was sie sagten. Und wieder mußte er sich verwundern, was es wohl sein könne, das er sah, und er fragte sich, ob es wohl etwas anderes sei als eine Vision. Nie zuvor hatte er Menschen so gekleidet gesehen. Die Frauen hatten schwarze spitze Mützen auf dem Kopf, sie trugen kleine, weiße Pelzjacken, rosa Tücher um den Hals, grünseidene Taillen und schwarze Röcke, deren Vorderbahn mit weißen, roten, grünen und schwarzen Streifen quer durchzogen war. Die Männer hatten runde, niedrige Hüte, blaue Röcke mit rotumrandeten Säumen, gelbe Lederhosen, die bis an die Knie reichten und mittels roter, mit Quasten verzierter Strumpfbänder befestigt waren. Er wußte nicht, ob die Kleidung allein schuld daran war, aber er fand, die Leute hier sahen ganz anders aus als anderswo, viel vornehmer und stattlicher. Er hörte, daß sie miteinander sprachen, aber lange konnte er nichts verstehen. Er mußte an die feinen Trachten denken, die seine Mutter in ihrer Truhe hatte, und die niemand seit undenklichen Zeiten mehr hatte tragen wollen, und ihm kam der Gedanke, ob dies nicht etwa

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