Sie flogen nun weiter, den Ljusnan hinab, und als eine Stunde vergangen war, kamen sie an das Dorf Kolsätt, das hart an der Grenze von Helsingland liegt. Hier ließ sich der Rabe in der Nähe einer kleinen, niedrigen Hütte nieder, die keine Fenster, sondern nur eine Luke hatte. Aus dem Schornstein stieg ein Rauch auf, der mit Funken vermischt war, und aus dem Hause vernahm man starke Hammerschläge. »Wenn ich die Schmiede sehe,« sagte Bataki, »so muß ich unwillkürlich an etwas denken, was du wahrscheinlich nie gehört hast, nämlich daß es in alten Zeiten im Härjetal und namentlich in diesem Dorfe hier so gute Schmiede gegeben haben soll, daß man ihresgleichen im ganzen Lande nicht finden konnte.« – »Vielleicht kannst du mir auch von ihnen eine Geschichte erzählen,« meinte der Junge.

»Freilich, denn ich habe gehört, daß damals ein Schmied aus dem Härjetal zwei andere Meisterschmiede, einen aus Dalarna und einen aus Värmland, zu einem Wettstreit im Nagelschmieden herausgefordert hat. Die Herausforderung wurde angenommen, und die drei Schmiede trafen hier in Valfäst zusammen. Der Dalekarlier machte den Anfang. Er schmiedete ein Dutzend Nägel, die alle ausgezeichnet waren und nicht besser gemacht werden konnten. Nach ihm kam der Värmländer. Auch er schmiedete ein Dutzend Nägel, die ganz ausgezeichnet waren, und dazu kam noch, daß er nur halb soviel Zeit dazu gebrauchte wie der Dalekarlier. Als die Männer, die Schiedsrichter in dem Wettstreit sein sollten, das sahen, sagten sie zu dem Schmied aus dem Härjetal, er könne den Versuch, es besser als der Dalekarlier oder schneller als der Värmländer zu machen, nur gleich aufgeben. ›Nein, ich ergebe mich nicht. Es wird sich schon eine Art und Weise finden lassen, wie ich mich auszeichnen kann,‹ sagte der Mann aus dem Härjetal. Er legte das Eisen auf den Ambos, ohne es zuvor in die Esse zu legen, hämmerte es warm und schmiedete einen Nagel nach dem anderen, ohne weder Kohlen noch einen Blasebalg zu gebrauchen. Nie hatte man einen Schmied den Hammer mit größerer Meisterschaft führen sehen, und der Schmied aus dem Härjetal wurde als der beste im ganzen Lande erklärt.«

Bataki schwieg, aber der Junge wurde noch nachdenklicher. »Was bezweckst du eigentlich mit der Erzählung?« fragte er. – »Ach, die Geschichte fiel mir nur gerade ein, als ich die alte Schmiede sah,« antwortete der Rabe ganz gleichgültig.

Die beiden Reisenden stiegen nun wieder in die Luft empor, und der Rabe flog mit dem Knaben südwärts nach dem Kirchspiel Lillhärdal, das auf der Grenze von Dalarna liegt. Dort ließ er sich auf einem bewaldeten Hügel oben auf einem Bergrücken nieder. »Ob du wohl eigentlich weißt, auf was für einem Hügel du stehst?« fragte Bataki. Nein, der Junge mußte einräumen, daß er das nicht wußte. – »Es ist ein Grabhügel,« sagte Bataki. »Er ist über einem Mann errichtet, der Harjulf hieß, und der sich als erster hier im Härjetal niederließ und das Land zu bebauen begann.« – »Vielleicht kannst du auch von ihm eine Geschichte erzählen?« meinte der Junge.

»Ich habe nichts weiter von ihm gehört, als daß er wohl ein Norweger gewesen ist. Zuerst stand er im Dienst eines norwegischen Königs, aber mit dem entzweite er sich, so daß er landesflüchtig wurde. Dann zog er zu dem schwedischen König, der in Upsala wohnte und trat bei ihm in Dienst. Als aber eine Weile vergangen war, begehrte er die Schwester des Königs zum Gemahl, und als der König ihm eine so vornehme Braut nicht geben wollte, entfloh er mit ihr. Er hatte es nun dahin gebracht, daß er nicht in Norwegen und auch nicht in Schweden wohnen konnte, und ins Ausland konnte er nicht ziehen. ›Aber es muß wohl noch einen dritten Ausweg geben,‹ dachte er und zog mit seinen Dienern und seinen Schätzen gen Norden durch Dalarna, bis er an die großen, wilden Wälder kam, die sich nördlich von Dalarna ausbreiteten. Dort ließ er sich nieder, baute Häuser, machte den Wald urbar und wurde so der erste, der sich in dieser Gegend des Landes niederließ.«

Als Niels Holgersen diese Geschichte hörte, wurde er noch nachdenklicher als zuvor. »Was für einen Zweck hast du nur damit, mir dies alles zu erzählen?« sagte er noch einmal. Lange schwieg Bataki, drehte und wandte aber den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Da wir beide jetzt hier allein sind,« sagte er endlich, »so will ich die Gelegenheit benutzen und dich nach etwas fragen. Hast du jemals genauen Bescheid darüber erhalten, was der Kobold, der mit dir verhandelte, als Bedingung aufstellte, daß du wieder ein Mensch werden könntest?« – »Ich habe nie von einer anderen Bedingung gehört, als daß ich den weißen Gänserich wohlbehalten nach Lappland hinauf und wieder nach Schonen zurückbringen sollte.« – »Hab' ich mir's doch gedacht!« rief Bataki aus. »Denn das letztemal, als wir uns sahen, nahmst du den Mund so voll und sagtest, es gäbe nichts Häßlicheres, als einen Freund, der sich auf uns verließ, im Stich zu lassen. Du solltest doch Akka einmal nach der Bedingung fragen. Du weißt, sie ist daheim bei euch gewesen und hat mit dem Kobold gesprochen.« – »Davon hat Akka nichts gesagt,« erwiderte der Junge. – »Sie hielt es vielleicht für dich für das beste, wenn du nicht wüßtest, wie die Worte des Kobolds lauteten. Sie will dir natürlich lieber helfen als dem Gänserich Martin.« – »Es ist doch sonderbar, Bataki, daß du mir das Herz immer so schwer und sorgenvoll machen mußt,« sagte der Junge. – »Wohl möglich, daß es den Anschein hat,« meinte der Rabe, »aber diesmal glaube ich wirklich, daß du mir dankbar sein mußt, denn ich will dir nur sagen, daß die Worte des Kobolds lauteten, du würdest nie wieder Mensch werden, wenn du den Gänserich Martin nicht nach Hause brächtest, so daß deine Mutter ihn auf die Schlachtbank legen kann.«

Niels Holgersen fuhr auf. »Das ist sicher nur eine boshafte Erfindung von dir!« rief er. – »Du kannst Akka ja selber fragen,« sagte Bataki. »Ich sehe sie da oben mit ihrer ganzen Schar kommen. Vergiß nun nicht, was ich dir heute erzählt habe! Es gibt immer einen Ausweg aus allen Schwierigkeiten, es handelt sich nur darum, ihn zu finden. Ich freue mich schon darauf zu sehen, wie es dir glücken wird!«

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