Sie sah sich um. Über ihr auf einem feinen schaukelnden Trieb des Himbeerbusches saß ein weißer Schmetterling. Er klappte seine großen Flügel langsam auf und wieder zu, lautlos und von der Sonne beglückt. Seine Flügel hatten schwarze Ecken, auch waren mitten darauf runde schwarze Punkte, auf jedem Flügel einer, so daß es zusammen vier waren. Maja hatte schon viele Schmetterlinge gesehen, aber sie hatte noch keinen kennengelernt. Vor Entzücken über seine Schönheit vergaß sie ihren Verdruß.

„Ach,“ sagte sie, „Sie haben vielleicht ganz recht, wenn Sie lachen. War das eine Wanze?“

Der Schmetterling nickte. „Aber sicher war es eine,“ sagte er, immer noch lächelnd, „mit denen läßt man sich nicht ein. Sie sind wohl noch sehr jung?“

„Nun,“ meinte Maja, „das will ich nicht grade behaupten. Ich habe große Erfahrungen gemacht. Aber so ein Tier ist mir noch nicht vorgekommen. Wer tut denn so was?“

Der Schmetterling mußte wieder lachen.

„Die Wanzen“, erzählte er, „sind gern allein, und weil sie im allgemeinen nicht sehr beliebt sind, versuchen sie sich auf diese Art bemerkbar zu machen. Man würde sie sonst wahrscheinlich bald vergessen, aber auf diese Art denkt man an sie. Das wollen sie jedenfalls.“

„Wie schön Ihre Flügel sind,“ sagte Maja, „so leicht und weiß. Darf ich mich Ihnen vorstellen? Ich heiße Maja, vom Volk der Bienen.“

Der Schmetterling legte seine Flügel zusammen, so daß es aussah, als habe er nur einen, sie standen grade in die Luft empor. Er verbeugte sich ein wenig und sagte nur ganz kurz:

„Fritz.“

So hieß er. Maja konnte sich nicht satt sehen an seinen Flügeln. „Fliegen Sie mal“, sagte sie.

„Soll ich fortfliegen?“

„O nein,“ antwortete Maja, „ich möchte nur sehen, wie Ihre großen weißen Flügel sich in der blauen Luft bewegen, aber ich kann es ja auch später noch sehen. Wo wohnen Sie?“

„Ich habe keine bestimmte Wohnung,“ sagte Fritz, „man hat zu viel Umstände damit. Seit ich ein Schmetterling bin, ist das Leben erst wirklich schön. Früher, als ich eine Raupe war, kam man den ganzen Tag nicht von den Kohlblättern herunter, fraß und zankte sich.“

„Wie meinen Sie das?“ fragte Maja erstaunt.

„Früher war ich eine Raupe“, sagte Fritz.

„Ausgeschlossen“, rief Maja.

„Na, hören Sie mal,“ meinte Fritz und richtete seine beiden Fühler grade auf Maja, „das weiß doch jeder, das weiß sogar der Mensch.“

Die kleine Maja wurde ganz befangen. Ob so etwas in der Welt möglich war?

„Da müssen Sie sich erst deutlicher erklären,“ sagte sie zweifelnd, „so ohne weiteres werde ich das nicht glauben. Das können Sie nicht verlangen.“

Der Schmetterling setzte sich neben die Biene auf den kleinen schwankenden Zweig des Busches, und sie schaukelten nebeneinander im Morgenwind. Er erzählte ihr, wie er eines Tages als Raupe begonnen habe sich einzuspinnen, bis nichts mehr kenntlich war als eine unscheinbare braune Hülle, die Puppe genannt würde.