Die Wächter zögerten noch, sie verstanden nicht, was vor sich ging.

„Die Königin darf nicht vor Sonnenaufgang geweckt werden“, sagte der eine von ihnen.

Da schrie Maja so laut und leidenschaftlich, wie die beiden wohl niemals eine Biene haben schreien hören:

„So erwacht die Königin vielleicht nie mehr zum Leben! Der Tod folgt mir auf dem Fuß.“ Und sie fügte so wild und zornig hinzu: „Ihr sollt mich vor die Königin führen!“ daß die Wächter ganz erschrocken und tief ergriffen gehorchten.

Nun eilten sie miteinander durch die warmen, vertrauten Straßen und Gänge, die Maja alle wiedererkannte, und obgleich ihre Erregung und Hast sie fast überwältigten, zitterte doch ihr Herz vor Wehmut unter den Wohltaten ihrer Heimat.

„Ich bin zu Hause“, stammelte sie mit blassen Lippen.

Im Empfangssaal der Königin brach sie beinahe zusammen. Einer der Wächter stützte sie, während der andere mit der ungewöhnlichen Botschaft in die Gemächer der Königin eilte. Sie hatten nun beide erkannt, daß etwas ganz Außerordentliches im Anzuge war, und der Bote lief so rasch, als seine Füße ihn trugen.

Die ersten Wachsbereiterinnen waren schon auf, neugierig schaute hier und da ein Köpfchen durch die Eingänge, die Nachricht dieses Vorfalls verbreitete sich schnell.

Da kamen zwei Offiziere aus den Gemächern der Königin. Maja erkannte sie sogleich, sie nahmen ernst und schweigend am Eingang ihre Stellungen ein, ohne Maja anzureden; nun mußte gleich die Königin erscheinen.

Sie kam ohne ihren Hofstaat, nur in Begleitung zweier Dienerinnen und ihres Leibadjutanten. Als sie Maja sah, trat sie schnell auf sie zu, und da sie den argen Zustand und die große Erregung der kleinen Biene sah, verlor sich der Zug von Ernst und Strenge ein wenig, der in ihrem Gesicht gelegen hatte.

„Du kommst mit einer wichtigen Botschaft?“ fragte sie ruhig. „Wer bist du?“

Maja konnte nicht gleich sprechen. Endlich brachte sie mühsam nur die Worte hervor:

„Die Hornissen!“

Die Königin erbleichte, aber sie blieb gefaßt, und das beruhigte auch Maja ein wenig.

„Großmächtige Königin,“ rief sie, „vergib mir, daß ich die Pflichten nicht beachte, die deine Hoheit und Würde erheischen, ich will später alles sagen, was ich getan habe und was ich von Herzen bereue. Ich bin in dieser Nacht wie durch ein Wunder der Gefangenschaft der Hornissen entronnen, und das letzte, was ich von ihnen gehört habe, ist, daß in der Morgendämmerung dieses Tages unser Reich überfallen und ausgeraubt werden soll!“

Das Entsetzen, das diese Worte der kleinen Maja bei allen Anwesenden hervorriefen, läßt sich kaum schildern. Die beiden Dienerinnen, die die Königin begleiteten, brachen in lautes Jammern aus, und die Offiziere am Eingang machten Miene, bleich vor Schreck, davonzufliegen und Alarm zu schlagen. Der Adjutant sagte: „Ja Herrgott ...“, und drehte sich einmal um sich selbst, weil er sich nach allen Seiten zugleich umsehen wollte.

Es war wirklich ein ganz außerordentlicher Anblick, zu sehen, mit welcher Ruhe und Geisteskraft die Königin die furchtbare Nachricht aufnahm. Sie reckte sich ein wenig empor, und in ihre Haltung kam etwas, was alle einschüchterte und ihnen zugleich ein grenzenloses Vertrauen einflößte. Die kleine Maja zitterte vor Erhobenheit, so etwas Bedeutungsvolles an Überlegenheit glaubte sie noch niemals gesehen zu haben. Und die Königin winkte die Offiziere an ihre Seite und sprach laut und gefaßt ein paar rasche Sätze zu ihnen. Maja hörte zum Schluß noch die Worte: „Ich gebe euch eine Minute zur Ausführung meines Befehls, wenn es länger dauert, kostet es euren Kopf.“ Aber die beiden Offiziere sahen gar nicht so aus, als ob man sie anfeuern müßte; sie stürmten davon, daß es eine Freude zu sehen war.

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