Als die Krähen gegessen hatten, begannen sie miteinander zu plaudern. »Woran denkst du, Wind-Eile? Du bist heute so still,« sagte eine von ihnen zum Anführer. – »Ach, ich denke daran, daß hier in der Gegend einstmals ein Huhn war, das seine Herrin so sehr liebte, und um ihr ein rechtes Vergnügen zu machen, ging es hin und legte ein Nest voll Eier und versteckte sie unter dem Fußboden des Stalles. Während der ganzen Zeit, daß die Glucke brütete, lag sie da und freute sich bei dem Gedanken, wie froh ihre Herrin über alle die Küchlein sein würde. Die Frau konnte gar nicht begreifen, wo das Huhn die ganze Zeit nur sein mochte. Sie suchte nach ihm, konnte es aber nicht finden. Kannst du raten, Langschnabel, wer das Huhn und die Eier fand?«

»Es ist nicht unmöglich, daß ich es erraten kann, Wind-Eile, aber wenn du es erzählst, will ich auch etwas erzählen. Erinnert ihr euch noch der großen, schwarzen Katze im Hinneryder Pfarrhaus? Sie war böse auf die Familie, weil sie ihr immer die neugeborenen Kätzchen wegnahmen und sie ertränkten. Nur ein einziges Mal gelang es ihr, sie zu verstecken, nämlich als sie sie in eine Strohmiete draußen auf dem Felde gelegt hatte. Sie war so glücklich über ihre Kätzchen, aber ich glaube, ich bekam mehr Freude von ihnen als sie.«

Nun wurden sie alle so eifrig, daß sie bunt durcheinander schwatzten. »Soll das eine Kunst sein, Eier und junge Kätzchen zu stehlen?« sagte eine von ihnen. »Ich habe einmal einen jungen Hasen gejagt, der beinahe ausgewachsen war. Ich mußte von einem Busch zum andern hinter ihm drein fliegen.« Weiter kam sie nicht, denn eine andere fiel ihr in die Rede: »Das mag ja ganz gut sein, Hühner und Katzen zu foppen, aber ich finde es doch noch merkwürdiger, daß eine Krähe einem Menschen Schaden zufügen kann. Ich habe einmal einen silbernen Löffel gestohlen.«

Der Junge fand aber nachgerade, daß er doch zu gut sei, um solch ein Gewäsch mit anzuhören. »Nein, hört einmal, ihr Krähen,« sagte er, »schämen solltet ihr euch, statt alle eure dummen Streiche zu erzählen. Ich habe nun drei Wochen unter den wilden Gänsen gelebt, und von denen habe ich nichts als Gutes gehört und gesehen. Ihr müßt einen schlechten Häuptling haben, daß er euch erlaubt, so zu rauben und zu morden. Ihr solltet euch vornehmen, auf andere Weise zu leben, denn ich kann euch erzählen, die Menschen haben eure Bosheit so satt, daß sie sich mit allen Kräften bemühen, euch auszurotten. Und es wird noch ein Ende mit Schrecken nehmen.«

Als Wind-Eile und die anderen Krähen das hörten, wurden sie so erzürnt, daß sie sich über den Jungen stürzen und ihn zerreißen wollten. Fumle-Drumle aber lachte und krächzte und stellte sich vor ihn hin. »Nein, nein, nein!« sagte er und tat so, als erschrecke er sehr. »Was meint ihr, wird Wind-Kaara sagen, wenn wir Däumling zerreißen, ehe er uns das Silbergeld geschafft hat?« – »Also du bist bange vor Weibsleuten, Fumle-Drumle?« sagte Eile, aber er und die andern lachten und ließen Däumling in Ruhe.

Bald darauf zogen die Krähen weiter. Bisher hatte der Junge im stillen gedacht, Smaaland sei doch kein so armseliges Land, wie er immer gehört hatte. Es war freilich sehr bewaldet und voll von Bergabhängen, aber an den Flüssen und Seen entlang lagen bestellte Felder und wirkliche Einöden hatte er noch nicht angetroffen. Aber je tiefer sie ins Land hineinkamen, um so spärlicher wurden die Dörfer und Häuser. Schließlich erschien es ihm wie ein ganzes Wüstenland, über das er hinflog, wo er nichts weiter sah als Moore und Heiden und Wacholderhügel.

Die Sonne war untergegangen, aber es war noch heller Tag, als die Krähen die große Heide erreichten. Wind-Eile sandte eine Krähe voraus, um zu melden, daß er siegreich heimkehre, und als dies verlautete, zog Wind-Kaara mit vielen Hunderten von Krähen vom Krähenhügel den Heimkehrenden entgegen. Mitten unter dem ohrenbetäubenden Krächzen, das die Krähen anstimmten, als sie sich wiedersahen, sagte Fumle-Drumle zu dem Jungen: »Du bist während der ganzen Reise so munter und fröhlich gewesen, daß ich dich gern leiden mag. Sobald wir uns niederlassen, werden sie dich bitten, eine Arbeit zu verrichten, die dir vielleicht sehr leicht erscheinen wird. Hüte dich aber, sie auszuführen!«

Gleich darauf setzte Fumle-Drumle Niels Holgersen auf den Boden einer Sandgrube nieder. Der Junge warf sich hin und blieb liegen, als käme er um vor Müdigkeit. Es flatterten so viele Krähen um ihn herum, daß es in der Luft brauste wie ein Sturm, aber er sah nicht in die Höhe.

»Däumling,« sagte Wind-Eile, »steh jetzt auf! Du sollst uns bei etwas behilflich sein, was sehr leicht für dich ist.«

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