seiner alten Heimat befand, war es ihm unmöglich, der Lust zu widerstehen, seinen früheren Kameraden auf dem Hofe Frau und Kinder zu zeigen; und ohne weitere Umstände zu machen, nahm er Daunfein und die jungen Gänse mit und flog dahin.

Es war kein Mensch draußen auf dem Hofe bei Holger Nielsen, als der Gänserich geflogen kam; so konnte er sich denn ganz ruhig niederlassen und Daunfein zeigen, wie herrlich er es gehabt hatte, als er noch eine zahme Gans war. Als sie den ganzen Hofplatz besichtigt hatten, entdeckte er, daß die Tür zum Kuhstall offen stand. »Guck einen Augenblick hier herein,« sagte er, »dann kannst du sehen, wo ich in alten Zeiten gewohnt habe! Das war etwas anderes, als sich in Teichen und Sümpfen aufzuhalten, so wie wir es jetzt tun.«

Der Gänserich stand auf der Schwelle und sah in den Kuhstall hinein. »Hier ist kein Mensch,« sagte er. »Komm nur, Daunfein, dann sollst du die Gänsebucht sehen! Du brauchst nicht bange zu sein, da ist nicht die geringste Gefahr!«

Und dann gingen der Gänserich, Daunfein und alle sechs Jungen in die Gänsebucht hinein, um zu sehen, in welchem Glanz und welcher Herrlichkeit der große Weiße gelebt hatte, ehe er sich den Wildgänsen anschloß.

»Ja, seht, so hatten wir es hier! Da war mein Platz, und da stand der Futtertrog, der immer mit Hafer und Wasser gefüllt war,« sagte der Gänserich. »Wartet einmal, da ist auch jetzt Fressen!« Und damit lief er an den Trog und begann Hafer zu verschlingen.

Aber Daunfein war unruhig. »Laß uns lieber wieder gehen,« sagte sie. – »Ach, nur noch ein paar Körner!« entgegnete der Gänserich. Im selben Augenblick stieß er einen Schrei aus und eilte auf den Ausgang zu. Aber es war zu spät. Die Tür fiel ins Schloß, Holger Nielsens Frau stand draußen und hakte die Krampe zu, und dann waren sie eingesperrt!

Holger Nielsen hatte ein spitzes Stück Eisen aus dem Huf des Pferdes gezogen und stand nun sehr vergnügt da und streichelte das Tier, als seine Frau in den Stall gestürzt kam. »Komm einmal her, dann sollst du sehen, was für einen Fang ich gemacht habe!« sagte sie. – »Nein, noch einen Augenblick, Mutter, und sieh erst einmal hierher!« sagte der Mann. »Jetzt habe ich entdeckt, was dem Pferd gefehlt hat.« – »Ich glaube, jetzt hat sich das Glück gewendet und kehrt wieder zu uns zurück,« sagte die Frau. »Denk dir nur, der große Gänserich, der im Frühling verschwand, muß mit den Wildgänsen geflogen sein. Er ist zurückgekommen und hat sieben Wildgänse mitgebracht. Sie gingen in die Gänsebucht hinein, und ich habe sie da alle eingesperrt.« – »Das ist doch sonderbar!« sagte Holger Nielsen. »Weißt du aber, was das beste bei dem Ganzen ist, Mutter? Wir brauchen nun nicht mehr zu glauben, daß unser Junge den Gänserich mitgenommen hat, als er weglief.« – »Ja, da hast du recht, Vater. Aber nun will ich dir etwas sagen, Vater: Ich glaube, ich muß die Gänse gleich heute abend schlachten. In ein paar Tagen ist der Martinstag, und wir müssen uns beeilen, wenn wir sie noch in die Stadt bringen wollen,« – »Ich finde eigentlich, es ist unrecht, den Gänserich zu schlachten, da er doch mit einer so großen Schar zu uns zurückgekehrt ist,« sagte Holger Nielsen. – »Wenn die Zeiten besser wären, würde ich ihn gern am Leben lassen, aber da wir ja selbst von hier fort müssen, können wir die Gänse doch nicht behalten.« – »Darin hast du freilich recht.« – »Komm, und hilf mir, sie ins Haus hineinzutragen,« sagte die Mutter.

Sie gingen aus dem Stall hinaus, und einen Augenblick später sah der Junge seinen Vater mit Daunfein unter dem einen Arm und dem Gänserich Martin unter dem andern zusammen mit der Mutter ins Haus gehen. Der Gänserich rief: »Däumling! Komm und hilf mir!« wie er zu tun pflegte, wenn er in Gefahr war, obwohl er ja gar nicht wissen konnte, daß der Junge in der Nähe war.

Niels Holgersen hörte ihn sehr wohl, aber er blieb trotzdem in der Stalltür stehen. Wenn er zögerte, so geschah das nicht, weil er wußte, daß es gut für ihn war, wenn der Gänserich auf die Schlachtbank gelegt würde – daran dachte er in diesem Augenblick nicht einmal. Sollte er aber den Gänserich retten, so mußte er sich vor seinem Vater und seiner Mutter sehen lassen, und dazu konnte er sich nicht entschließen. »Sie haben es schon schwer genug!« dachte er. »Soll ich ihnen wirklich auch noch diesen Kummer bereiten?«

Als sich aber die Tür hinter dem Gänserich schloß, kam Leben in den Jungen. Er stürzte über den Hofplatz, sprang auf die eichene Schwelle vor der Haustür und lief auf den Flur. Hier zog er nach alter Gewohnheit die Holzschuhe aus und näherte sich der Stubentür. Aber er hatte noch immer einen solchen Widerwillen

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