Als der Vater auf und davon gegangen war, wurden sie sehr arm. Anfangs schickte er ihnen Geld, aber dann war es ihm wohl schlecht ergangen, und er schickte nichts mehr. Und an dem Tage, als die älteste Schwester begraben wurde, schloß die Mutter das Haus ab und verließ mit den beiden Kindern, die ihr noch geblieben waren, die Heimat. Sie ging nach Schonen, um Arbeit auf den Rübenfeldern zu suchen und bekam einen Platz in der Jordbergaer Zuckerfabrik. Die Mutter war eine tüchtige Arbeiterin und hatte ein munteres und offenes Wesen. Alle hatten sie gern. Viele wunderten sich, daß sie so ruhig sein konnte nach allem, was sie durchgemacht hatte. Aber sie war sehr stark und geduldig. Wenn jemand mit ihr über ihre beiden prächtigen Kinder sprach, sagte sie nur: »Die sterben auch bald.« Das sagte sie, ohne daß ihre Stimme zitterte und ohne daß ihr Tränen in die Augen traten. Sie hatte sich daran gewöhnt, nichts anderes mehr zu erwarten.

Aber es kam nicht so, wie sie erwartete. Statt dessen wurde sie selbst krank. Es ging schnell mit ihr, noch schneller als mit den kleinen Geschwistern. Sie war zu Anfang des Sommers nach Schonen gekommen, und als der Herbst kam, waren die Kinder allein.

Wahrend die Mutter krank lag, sagte sie oft zu den Kindern, sie sollten stets daran denken, daß sie niemals bereut habe, die kranke Frau bei sich aufzunehmen. Denn es sei nicht schwer zu sterben, wenn man recht gehandelt habe, sagte sie. Alle Menschen müßten sterben, dem könne man nicht entgehen. Aber man könne selbst darüber bestimmen, ob man mit einem guten Gewissen sterben wolle oder mit einem schlechten.

Ehe die Mutter starb, suchte sie noch ein wenig für die Kinder zu sorgen. Sie bat, daß die Kinder in der Kammer bleiben dürften, in der sie alle drei den Sommer über gewohnt hatten. Wenn die Kinder nur eine Stelle hätten, wo sie wohnen konnten, würden sie niemand zur Last fallen. Sie könnten sich selbst versorgen, das wisse sie. Die Kinder erhielten die Erlaubnis, die Kammer zu behalten, wenn sie dafür versprechen wollten, die Gänse zu hüten, denn es ist immer schwer, Kinder zu finden, die diese Arbeit übernehmen wollen. Es ging wirklich so, wie die Mutter gesagt hatte: sie versorgten sich selbst. Das kleine Mädchen konnte Brustzucker kochen, und der Junge konnte allerlei Spielzeug aus Holz anfertigen, das er ringsumher auf den Bauernhöfen verkaufte. Sie hatten Handelstalent, und es währte nicht lange, und da fingen sie an, bei den Bauern Butter und Eier zu kaufen, die sie dann an die Arbeiter in der Zuckerfabrik wieder verkauften. Sie waren so ordentlich und zuverlässig, daß man ihnen alles anvertrauen konnte, was es auch war. Das Mädchen war die Ältere, und mit dreizehn Jahren war sie schon so zuverlässig wie ein erwachsener Mensch. Sie war still und ernsthaft, der Junge aber war redselig und munter. Die Schwester pflegte von ihm zu sagen, er schnattere um die Wette mit den Gänsen draußen auf dem Felde.

Als die Kinder ein paar Jahre in Jordberga gewohnt hatten, wurde eines Abends in der Schule ein Vortrag gehalten. Der Vortrag war wohl im Grunde für Erwachsene bestimmt, aber die beiden smaaländer Kinder saßen auch unter den Zuhörern. Sie rechneten sich selbst nicht zu den Kindern, und kaum taten die Erwachsenen das. Der Redner sprach über die traurige Krankheit, die Tuberkulose, die alljährlich so viele Menschen in Schweden töte. Er sprach sehr klar und leicht verständlich, und die Kinder verstanden jedes Wort.

Nach dem Vortrag blieben sie draußen vor der Schule stehen und warteten. Als der Redner kam, gingen sie Hand in Hand feierlich auf ihn zu und baten, mit ihm reden zu dürfen.

Der Redner sah die beiden ja ein wenig verwundert an, die da mit runden und rotwangigen Kindergesichtern standen und mit einem Ernst redeten, der dreimal so alten Leuten angestanden haben würde. Er hörte sie aber sehr freundlich an.

Die Kinder erzählten, was sie daheim in ihrem Hause erlebt hatten, und sie fragten nun den Redner, ob er glaube, daß ihre Mutter und die Geschwister an der Krankheit gestorben seien, die er geschildert hatte. Es könne ja kaum eine andere Krankheit gewesen sein.

Aber wenn nun ihre Mutter und ihr Vater das gewußt hätten, was die Kinder heute abend gehört hatten, so hätten sie sich ja in acht nehmen können. Falls sie die Kleider der kranken Frau verbrannt und das Haus gründlich gescheuert und die Betten nicht mehr benutzt hätten, würden dann vielleicht noch alle die am Leben sein, um die die Kinder jetzt trauerten?

Der Redner sagte, eine bestimmte Antwort könne niemand darauf geben, aber es wäre höchstwahrscheinlich, daß keins von ihren Angehörigen hätte zu sterben brauchen, wenn sie es verstanden hätten, sich gegen die Krankheit zu schützen.

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