Er hatte nicht lange Zeit, hierüber nachzudenken, denn plötzlich kam er an einen Ort, der ihm bekannt war. Es war ein kleiner, dunkler Waldsee, wo er im letzten Sommer gefischt hatte. Nun war er sich klar darüber, daß es sich wirklich so verhielt, wie er gefürchtet hatte. Er befand sich tief drinnen in den Wäldern, und das Pferd ging in südöstlicher Richtung weiter. Es schien, als sei es darauf versessen, ihn so weit wie möglich vom Pfarrhause wegzuführen.

Der Propst sprang augenblicklich aus dem Sattel. Er konnte sich nicht so von dem Pferd in die Wildnis tragen lassen. Er mußte nach Hause, und da das Pferd mit aller Macht irregehen wollte, beschloß er, zu Fuß zu gehen und das Pferd zu führen, bis sie auf bekannten Wegen angelangt waren. So wickelte er denn den Zügel um den Arm und trat die Wanderung an. Es war keine leichte Sache, in einem schweren Pelz durch den wilden Wald zu gehen, aber der Propst war ein starker und abgehärteter Mann, der sich vor nichts fürchtete.

Bald aber erschwerte ihm das Pferd von neuem die Wanderung. Es wollte ihm nicht folgen, sondern stemmte die Hufe fest gegen den Boden und sträubte sich.

Schließlich wurde der Propst zornig. Er pflegte sonst nie dies Pferd zu schlagen, darum wollte er auch jetzt nicht zu diesem Mittel greifen. Statt dessen warf er ihm die Zügel über den Hals und ging seiner Wege. ›Dann müssen wir uns hier wohl trennen‹, sagte er, ›da du deinen eigenen Weg gehen willst.‹

Kaum hatte er jedoch ein paar Schritte gemacht, als das Pferd hinter ihm dreinkam, ihn behutsam am Ärmel zupfte und ihn zurückzuhalten suchte. Der Propst wandte sich um und sah dem Pferd in die Augen, um zu erforschen, warum es sich so wunderlich gebärdete.

Später konnte der Propst nie recht begreifen, wie es möglich war, aber das steht fest, trotz der Dunkelheit konnte er das Gesicht des Pferdes ganz deutlich sehen und darin lesen, als sei es das Antlitz eines Menschen gewesen. Er konnte sehen, daß sich das Pferd in der fürchterlichsten Angst und Not befand. Es sah ihn mit einem zugleich flehenden und vorwurfsvollen Blick an. ›Ich habe dir gedient und dir Tag für Tag gehorcht,‹ schien es zu sagen, ›kannst du mir nicht diese eine Nacht folgen?‹

Der Propst wurde gerührt durch die Bitte, die er in den Augen des Tieres las. Es war klar, daß das Pferd in dieser Nacht in irgendeiner Weise seiner Hilfe bedurfte, und da er ein kühner und mutiger Mann war, beschloß er sofort, ihm zu folgen. Ohne zu zögern führte er das Pferd an einen Stein, um wieder aufzusteigen. ›Geh jetzt nur!‹ sagte er, ›ich will dich nicht verlassen, wenn du mich mithaben willst. Niemand soll dem Delsboer Propst nachsagen, daß er sich weigert, jemand zu folgen, der in Not ist.‹

Und fortan ließ er das Pferd laufen, wie es wollte, und dachte an nichts weiter, als sich im Sattel festzuhalten. Es wurde ein gefährlicher und anstrengender Ritt, und fast die ganze Zeit ging es bergauf. Der Wald war rings um ihn her so dicht, daß er kaum zwei Schritte weit sehen konnte, aber es schien ihm, als ritten sie einen sehr hohen Berg hinan. Das Pferd arbeitete sich die halsbrecherischsten Abhänge empor. Hätte der Propst selbst die Zügel geführt, so würde er es sich nicht im Traum haben einfallen lassen, ein Pferd einen solchen Weg bergan zu zwingen. ›Du hast doch wohl nicht die Absicht, dich auf den Blocksaas selbst hinaufzuwagen?‹ sagte der Propst zu dem Pferd und lachte. Er wußte, daß der Blacksaas dort in der Nahe lag, aber es war einer der höchsten Berge in Helsingeland.

Wie sie so weiterritten, merkte der Propst, daß er und das Pferd nicht die einzigen waren, die in dieser Nacht unterwegs waren. Er hörte Steine rollen und Zweige knacken. Es klang, als wenn sich große Tiere einen Weg durch den Wald bahnten. Er wußte, daß es dort in der Gegend von Wölfen wimmelte, und dachte, ob ihn das Pferd wohl zum Kampf gegen die wilden Tiere führen wolle.

Bergan ging es, beständig bergan, und je höher sie kamen, um so lichter wurde der Wald.

Endlich ritten sie an einem fast kahlen Bergrücken entlang, so daß der Propst nach allen Seiten um sich sehen konnte.

Er schaute über unermeßliche Strecken Landes hinaus, wo Felsklippen und Berggrate abwechselten, und die überall mit dunklen Wäldern bedeckt waren. Es war nicht leicht, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, bald aber konnte er nicht darüber in Zweifel sein, wo er sich befand.

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