»Aber hör' einmal!« sagte der alte vornehme Herr. »Du sehnst dich nach Hause, wenn du in Stockholm bist? Das kann doch nicht möglich sein!«

Und der vornehme alte Herr sah beinahe beleidigt aus. Aber dann mochte ihm wohl einfallen, daß der, zu dem er sprach, nur ein unwissender alter Bauersmann aus Helsingland war, und da wurde er wieder so wie vorher.

»Du hast wohl noch nie gehört, wie Stockholm entstanden ist, Klement. Wüßtest du das, so würdest du verstehen, daß es nur eine Einbildung von dir ist, wenn du dich von hier wegsehnst. Komme mit mir nach der Bank da, dann will ich dir ein wenig von Stockholm erzählen.«

Als der vornehme alte Mann sich auf die Bank gesetzt hatte, sah er erst eine Weile auf Stockholm hinab, das in all seiner Pracht unter ihm ausgebreitet lag, und dann atmete er tief auf, als wolle er die ganze Schönheit der Stadt einatmen. Darauf wandte er sich an den Spielmann.

»Sieh einmal, Klement,« sagte er, und während er sprach, zeichnete er in dem Kiesgang zu ihren Füßen eine kleine Karte. »Hier liegt Uppland, und hier schiebt es nach Süden zu eine Landzunge vor, in die eine Menge Buchten einschneiden. Und hier kommt Sörmland mit einer anderen Landzunge, die ebenso eingeschnitten ist und schnurgerade nach Norden geht. Und hier kommt ein See von Westen her, der ist voller Inseln: das ist der Mälar. Und hier kommt von Osten her ein anderes Gewässer, das vor lauter Inseln und Schären kaum weiterkommen kann, das ist die Ostsee. Und hier, Klement, wo Uppland sich mit Sörmland begegnet, und der Mälarsee mit der Ostsee zusammentrifft, läuft ein kleiner Fluß, der heißt Norrström, und mitten im Norrström liegen drei Werder.

Anfangs waren diese Werder nichts weiter als gewöhnliche Werder mit ein paar Bäumen darauf, von der Art, wie sie noch heute zahlreich im Mälar liegen, und sie lagen lange Zeit ganz unbewohnt da. Eine gute Lage hatten sie ja freilich, da sie mitten zwischen zwei Gewässern und zwei Landschaften lagen, aber das beachtete niemand. Ein Jahr nach dem anderen ging dahin. Die Leute siedelten sich auf den Mälarinseln und draußen in den Schären an, aber die drei Werder im Strom bekamen keine Einwohner. Ausnahmsweise konnte es wohl einmal geschehen, daß ein Schiffer bei einem von ihnen anlegte und sein Zelt für die Nacht dort aufschlug.

Niemand aber blieb dauernd dort.

Es war schon spät im Sommer, und das Wetter war noch schön, obwohl die Abende bereits anfingen, dunkel zu werden. Der Fischer zog sein Boot an Land, legte sich daneben, den Kopf auf einem Stein und schlief ein. Als er erwachte, war der Mond schon lange aufgegangen. Er stand gerade über seinem Kopf und leuchtete gar prächtig, so daß es fast ganz hell war.

Der Mann fuhr in die Höhe und wollte eben das Boot ins Wasser schieben, als er eine Menge schwarzer Punkte sich draußen auf dem Meer bewegen sah. Es war eine große Schar Seehunde, die in voller Fahrt auf den Werder zukamen. Als der Fischer sah, daß die Seehunde scheinbar an Land kriechen wollten, duckte er sich nieder, um nach seinem Spieß zu suchen, den er immer im Boot bei sich hatte. Als er sich aber wieder aufrichtete, waren keine Seehunde mehr zu sehen; statt ihrer standen am Ufer des Sees die schönsten jungen Mädchen in schleppenden, grünen seidenen Gewändern und mit Perlenkränzen im Haar. Da begriff der Fischer, daß es Meerjungfrauen waren, die auf den öden Schären, weit draußen im Meer wohnten, und die nun Seehundkleider angelegt hatten, um an Land zu schwimmen und sich im Mondschein auf den grünen Werdern zu belustigen.

Ganz leise legte er den Spieß wieder hin, und als die Meerjungfrauen auf den Werder hinaufkamen, um zu spielen, schlich er hinterdrein und betrachtete sie. Er hatte gehört, daß die Meerjungfrauen so schön und anmutig sein sollten, daß niemand sie sehen könne, ohne von ihrer Schönheit bezaubert zu sein, und er mußte zugeben, daß dies keine Übertreibung war.

Als er ihrem Tanz unter den Bäumen eine Weile zugesehen hatte, ging er an den Strand hinab, nahm eines der Seehundkleider, die dort lagen, und versteckte es unter einem Stein. Dann kehrte er nach seinem Boot zurück, legte sich daneben und stellte sich schlafend.

Bald darauf sah er die Meerjungfrauen an den Strand hinab kommen, um die Seehundkleider anzuziehen. Anfangs war alles Spiel und Fröhlichkeit, bald aber verwandelte es sich in Jammer und Klagen, weil eine von

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.