»Ich werde ihnen wohl meine Meinung sagen müssen,« dachte er. Aber Stunde auf Stunde verging, ohne daß er seinen Vorsatz ausführte. Es mag sonderbar klingen, aber der Junge hatte wirklich eine Art Respekt vor der alten Führergans bekommen. Es war gar nicht so leicht, sich gegen ihren Willen aufzulehnen, das merkte er sehr wohl.

An der einen Seite des sumpfigen Wiesengrundes, wo die Gänse weideten, befand sich ein breiter Steinwall. Und jetzt geschah es, daß, als der Junge gegen Abend den Kopf erhob, um endlich mit Akka zu reden, sein Blick auf die Umzäunung fiel. Er stieß einen kleinen Ruf des Erstaunens aus, und alle Gänse sahen sofort in die Höhe und starrten nach derselben Richtung wie er. Im ersten Augenblick sah es für sie wie auch für den Jungen so aus, als wenn alle die grauen Rollsteine, aus denen der Wall bestand, Beine bekommen hätten und zu laufen begannen.

Aber sie sahen bald, daß es eine Schar Ratten war, die darüber hin liefen. Sie bewegten sich sehr schnell und liefen so dicht nebeneinander, Reihe auf Reihe, und es waren ihrer so viele, daß sie eine lange Weile die ganze steinerne Mauer verdeckten.

Der Junge war schon bange vor Ratten gewesen, als er noch ein großer, starker Mensch war. Wieviel mehr jetzt, wo er so klein war, daß ein paar von ihnen ihm den Garaus machen konnten. Es lief ihm einmal über das andere kalt den Rücken hinab, während er dastand und sie ansah.

Das Wunderliche aber war, daß die Gänse denselben Abscheu vor den Ratten zu empfinden schienen wie er. Sie sprachen nicht mit ihnen, und als sie wieder fort waren, schüttelten sie sich, als hätten sie Schlamm zwischen die Federn bekommen.

»So viele graue Ratten unterwegs!« sagte Yksi von Bassijaure, »das ist kein gutes Zeichen!«

Jetzt wollte der Junge die Gelegenheit benutzen und zu Akka sagen, sie solle ihn mit nach Kullaberg nehmen, aber er wurde abermals daran verhindert, indem sich ein großer Vogel plötzlich zwischen den Gänsen niederließ.

Wenn man diesen Vogel sah, konnte man glauben, er habe Leib, Hals und Kopf von einer kleinen, weißen Gans geliehen. Dazu hatte er sich aber große, schwarze Flügel, lange, rote Beine und einen langen, dicken Schnabel angeschafft, der viel zu groß für den kleinen Kopf war und ihn niederzog, so daß sein Aussehen etwas Bedrücktes und Kummervolles bekam.

Akka ordnete schnell ihre Deckfedern und machte viele Male eine Verbeugung mit dem Hals, während sie sich dem Storch näherte. Sie war nicht sonderlich überrascht, ihn so früh im Lenz in Schonen zu sehen, denn sie wußte, daß die Storchenmännchen zu rechter Zeit da hinüber zu fliegen pflegen, und nachsehen, ob das Nest im Laufe des Winters Schaden gelitten hat, ehe sich die Storchenweibchen die Mühe machen, über die Ostsee zu fliegen. Aber sie konnte nicht begreifen, warum er sie aufsuchte, da die Störche am liebsten mit Leuten ihrer eigenen Art verkehren.

»Ich hoffe, es ist doch nichts mit Ihrem Nest geschehen, Herr Langbein,« sagte Akka.

Jetzt zeigte es sich, daß es wahr ist, was man zu sagen pflegt, daß nämlich ein Storch selten den Schnabel aufmacht, ohne zu klagen. Und der Umstand, daß es dem Storch schwer wurde, die Worte hervorzubringen, bewirkte, daß das, was er sagte, noch kläglicher klang. Er stand lange da und tat nichts als mit dem Schnabel klappern, und dann begann er mit heiserer, schwacher Stimme zu sprechen. Er klagte über alles mögliche: das Nest, das ganz oben auf dem Dachrücken von Glimminghaus lag, war von den Winterstürmen ganz zerstört worden, und Nahrung war bald nicht mehr zu finden. Die Bewohner von Schonen waren im Begriff, sich seines ganzen Besitzes zu bemächtigen. Sie entwässerten die Wiesen und machten seine Sümpfe urbar. Es sei seine Absicht, dies Land zu verlassen und nie wieder zurückzukehren.

Während der Storch so jammerte, konnte Akka, die wilde Gans, die selber nicht die Stätte hatte, wohin sie ihr Haupt legen konnte, nicht umhin, im stillen zu denken: »Hätte ich es so gut wie Herr Langbein, da würde ich mich zu gut halten, zu klagen. Er ist noch heutigen Tages ein freier und wilder Vogel, und trotzdem ist er bei den Menschen so gut angeschrieben, daß niemand einen Schuß auf ihn abschießt oder ihm auch nur ein Ei aus seinem Neste stehlen würde.« Das alles aber behielt sie für sich. Zu dem Storch sagte sie nur, sie könne sich nicht denken, daß er von einem Hause fortfliegen wolle, auf dem, seit es erbaut war, Störche Wohnung gehabt hätten.

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