Jarro vergaß ganz, wie bange er früher vor Menschen und Hunden gewesen war. Er fand, sie waren sanft und gut, und er liebte sie. Er hatte nur den einen Wunsch, wieder gesund zu sein, dann wollte er nach dem Tåkernsee hinabfliegen und den Stockenten erzählen, daß ihre alten Feinde nicht gefährlich seien, und daß sie gar nicht vor ihnen bange zu sein brauchten.

Er hatte beobachtet, daß sowohl die Menschen als auch Cäsar ruhige Augen hatten, in die hineinzusehen gut tat. Die einzige in der Stube, deren Blick er nicht gern begegnete, war Klorina, die Hauskatze. Sie tat ihm nichts zuleide, aber er konnte nicht recht Vertrauen zu ihr fassen. Außerdem foppte sie ihn immer damit, daß er die Menschen liebte. »Du glaubst wohl, daß sie dich pflegen, weil sie dich gern haben,« sagte Klorina. »Warte du nur, bis du hinreichend fett bist! Dann drehen sie dir den Hals um. Ich kenne sie, das kannst du mir glauben!«

Jarro hatte ein zärtliches und liebevolles Herz, wie es die Vögel in der Regel haben, und er ward unsagbar traurig, als er das hörte. Er konnte sich nicht denken, daß ihm die Bäuerin den Hals umdrehen würde, und er glaubte so etwas auch nicht von ihrem Sohn, dem kleinen Jungen, der stundenlang an seinem Korb sitzen und mit ihm plaudern konnte. Er meinte merken zu können, daß sie ihn ebenso lieb hatten wie er sie.

Eines Tages, als Jarro und Cäsar auf ihrem gewohnten Platz vor dem Feuer lagen, saß Klorina oben auf dem Herd und belustigte sich damit, den Enterich zu foppen.

»Ich möchte wohl wissen, was ihr Stockenten im nächsten Jahr anfangen wollt, wenn der See trockengelegt und in Ackerland verwandelt wird,« sagte Klorina. – »Was sagst du da, Klorina?« rief Jarro und fuhr ganz entsetzt in die Höhe. – »Ich vergesse immer, Jarro, daß du die Sprache der Menschen nicht so verstehen kannst wie Cäsar und ich,« erwiderte die Katze. »Sonst hättest du ja hören müssen, daß die Männer, die gestern hier in der Stube waren, erzählten, daß alles Wasser aus dem Tåkernsee abgelassen werden soll, so daß der Boden des Sees im nächsten Jahr so trocken daliegt wie der Fußboden in einer Stube. Und nun möchte ich nur wissen, was ihr Grasenten dann anfangen wollt!« – Als Jarro diese Worte hörte, wurde er so wütend, daß er fauchte wie eine Natter: »Du bist gerade so boshaft wie ein Bläßhuhn,« schrie er Klorina an. »Du willst mich nur gegen die Menschen aufreizen. Ich glaube nicht, daß sie so etwas tun werden. Sie wissen sehr wohl, daß der Tåkernsee den Stockenten gehört. Warum sollten sie wohl so viele Vögel heimatlos und unglücklich machen? Das hast du dir nur ausgedacht, um mich bange zu machen. Ich will dir wünschen, daß dich der Adler Gorgo in Stücke zerreißt! Ich will dir wünschen, daß unsere Herrin dir den Schnurrbart abschneidet!«

Jarro vermochte jedoch Klorina nicht zum Schweigen zu bringen. »So, du glaubst also, daß ich lüge,« sagte sie. »Du kannst ja Cäsar einmal fragen! Er war gestern abend auch in der Stube. Cäsar lügt nie.«

»Cäsar,« sagte Jarro, »du verstehst die Sprache der Menschen viel besser als Klorina. Sag' du, daß sie nicht richtig gehört hat. Bedenke doch, wie es werden würde, wenn die Menschen den Tåkernsee austrockneten und seine Ufer zu Ackerland machten! Dann gäbe es kein Entengrün mehr für die heranwachsenden jungen Enten und keine Fischbrut und keine Kaulquappen und keine Mückenlarven für die jungen Entlein. Dann würden auch die Binsenwälder verschwinden, in denen sich die kleinen Entlein jetzt verstecken können, bis sie flügge sind. Alle Enten müssen von hier fortziehen und sich eine andere Wohnung suchen. Aber wo sollen sie eine Zufluchtsstätte, wie den Tåkernsee, finden? Cäsar, sage du, daß Klorina nicht richtig gehört hat!«

Es war eigentümlich, zu beobachten, wie Cäsar sich bei dieser Unterhaltung aufführte. Er war während der ganzen übrigen Zeit völlig wach gewesen, als sich aber Jarro an ihn wandte, gähnte er, legte seine lange Schnauze auf die Vorderpfoten und verfiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf.

Die Katze sah mit einem listigen Lächeln auf Cäsar hinab. »Ich glaube, Cäsar hat keine Lust, dir zu antworten,« sagte sie zu Jarro. »Ihm geht es so wie allen Hunden: Sie wollen niemals zugeben, daß die Menschen unrichtig handeln. Aber du kannst dich trotzdem auf mein Wort verlassen. Ich will dir sagen, warum die Menschen den See gerade jetzt trockenlegen wollen. Solange die Stockenten die Herrschaft über den Tåkernsee hatten, wollten sie ihn nicht trockenlegen, denn von euch hatten sie doch einigen Nutzen. Aber nun haben sich ja die Haubentaucher und die Bläßhühner und viele andere Vögel, die nicht eßbar sind, fast aller Binsenwälder bemächtigt, und die Menschen finden es nicht notwendig, um ihretwillen den See zu bewahren.«

Jarro hatte keine Lust, Klorina zu antworten, er erhob nur den Kopf und rief Cäsar ins Ohr: »Cäsar! Du weißt doch, daß da auf dem Tåkernsee so viele Enten sind, daß es aussehen kann wie Wolken am Himmel. Sag' du doch, daß es nicht wahr ist, daß die Menschen die alle heimatlos machen wollen!«

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