merken zu können, daß die Führergans bereits beschlossen hatte, ihn heimzusenden, und er machte sich nichts daraus, was er antwortete. »Ich bin nie weiter geschwommen als über eine Mergelgrube,« fuhr er fort. – »Dann erwarte ich, daß du ein Meister im Laufen bist,« sagte die Gans. – »Nie habe ich eine zahme Gans laufen sehen, und habe es auch selbst nicht getan,« sagte der Gänserich und machte sich noch geringer, als er war.

Der große Weiße war nun fest überzeugt, daß die Führergans sagen würde, sie wolle ihn unter keinen Umständen mitnehmen. Er war höchlichst überrascht, als sie sagte: »Du antwortest mutig, wenn man dich fragt, und wer Mut hat, kann ein guter Reisekamerad werden, wenn er auch im Anfang nicht tüchtig ist. Was meinst du dazu, daß du ein paar Tage bei uns bleibst, bis wir gesehen haben, ob du zu etwas zu gebrauchen bist?« »Damit bin ich sehr zufrieden,« sagte der Gänserich und war sehr vergnügt.

Darauf zeigte die Führergans mit dem Schnabel auf den Jungen und sagte: »Aber wer ist denn das, den du da bei dir hast? So einen hab' ich noch nie gesehen.« – »Das ist mein Kamerad,« sagte die Gans. »Er ist sein ganzes Leben lang Gänsejunge gewesen. Er kann sicher auf der Reise von Nutzen sein.« – »Das mag ja für eine zahme Gans ganz gut sein,« entgegnete die wilde. »Wie heißt er?« – »Er hat mehrere Namen,« sagte der Gänserich zögernd und wußte nicht, was er in der Eile ersinnen sollte, denn er wollte nicht verraten, daß der Junge einen Menschennamen hatte. »Er heißt Däumling!« sagte er endlich. »Ist er aus dem Geschlecht der Kobolde?« fragte die Führergans. – »Um welche Zeit pflegt ihr Wildgänse euch eigentlich zum Schlafen hinzusetzen?« fragte der Gänserich schnell, um der Antwort auf die letzte Frage zu entgehen. »Meine Augen fallen um diese Zeit des Tages von selbst zu.«

Es war leicht zu sehen, daß die Gans, die mit dem Gänserich sprach, sehr alt war. Das ganze Federkleid war eisgrau, ohne dunkle Streifen. Der Kopf war größer, die Beine gröber und die Füße mehr abgetreten als die irgendeiner andern Gans. Die Federn waren steif, die Flügel knochig, und der Hals war dünn. Dies alles war das Werk des Alters. Nur den Augen hatte die Zeit nichts anzuhaben vermocht. Sie schienen klarer, gleichsam jünger als die all der andern.

Sie wandte sich jetzt mit Würde an den Gänserich. »Jetzt sollst du wissen, Gänserich, daß ich Akka von Kebnekajse bin, und die Gans, die zu meiner Rechten fliegt, ist Yki von Vassijaure, und die zu meiner Linken ist Kaksi von Nuolja! Du sollst auch wissen, daß die zweite Gans zur Rechten Kolme von Svappavara ist, und dahinter fliegt Viisi von den Oviksbergen und Kuusi von Sjangeli! Und du sollst wissen, daß diese, sowie die sechs jungen Gänse, die zu hinterst fliegen, drei rechts und drei links, alle Hochgebirgsgänse von edelstem Stamme sind. Du mußt uns nicht für Landstreicher halten, die mit jedem Beliebigen fliegen, und du mußt nicht glauben, daß wir unsern Schlafplatz mit jemand teilen, der nicht sagen will, welcher Familie er entstammt.«

Als die Führergans also sprach, ging der Junge schnell auf sie zu. Es hatte ihm weh getan, daß der Gänserich, der so mutig für sich selbst geantwortet hatte, so ausweichende Antworten gab, als es sich um ihn handelte. »Ich will nicht verheimlichen, wer ich bin,« sagte er. »Ich heiße Niels Holgersen und bin der Sohn eines Häuslers, und bis auf den heutigen Tag bin ich ein Mensch gewesen, aber heute vormittag...«

Weiter kam er nicht. Kaum hatte er gesagt, daß er ein Mensch sei, als die Führergans drei Schritt zurückwich, und die andern noch weiter. Und sie machten alle lange Hälse und fauchten ihn an.

»Diesen Verdacht habe ich von dem ersten Augenblick an gehabt, als ich dich hier an dem Ufer des Sees sah,« sagte Akka. »Und nun mußt du dich sofort entfernen. Wir dulden keine Menschen unter uns.«

»Es ist doch nicht möglich,« sagte der Gänserich vermittelnd, »daß ihr wilden Gänse vor einem bange sein könnt, der so klein ist. Morgen soll er auch nach Hause reisen, aber über Nacht müßt ihr ihn wirklich hier bei uns bleiben lassen. Niemand von uns kann es verantworten, so einen armen Kleinen jetzt zu nächtlicher Stunde sich auf eigene Hand gegen Wiesel und Füchse verteidigen zu lassen.«

Die wilde Gans kam jetzt näher heran, aber es war leicht zu sehen, daß es ihr schwer wurde, ihre Furcht zu beherrschen. »Ich habe gelernt, vor allem bange zu sein, was einen Menschennamen trägt, mag es groß oder klein sein,« sagte sie. »Aber wenn du, Gänserich, für den da einstehen willst, daß er uns keinen Schaden zufügt, so kann er wohl Erlaubnis bekommen, über Nacht hier bei uns zu bleiben. Ich fürchte freilich, daß unser Nachtquartier weder dir noch ihm behagen wird, denn wir haben die Absicht, uns zum Schlafen da draußen auf der Eisscholle niederzulassen.«

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