„Sie sind ja eine ganz dralle kleine Person“, sagte sie, und ließ sich abwechselnd erst mit dem einen, dann mit dem andern Bein etwas los. Der Faden schwankte. Es war wirklich erstaunlich, daß ein so dünner Faden die große Spinne trug.

„Ach, helfen Sie mir los,“ bat Maja, „ich will mich erkenntlich zeigen, so gut ich kann.“

„Deshalb bin ich gekommen“, sagte die Spinne und lächelte merkwürdig. Trotz dieses Lächelns sah sie heimtückisch und böse aus. „Sie zerstören mir ja mit Ihrem Gezappel das ganze Netz. Wenn Sie einen Augenblick stillhalten, will ich Sie befreien.“

„Vielen, vielen Dank“, rief Maja.

Die Spinne war nun ganz dicht neben ihr. Sie überzeugte sich genau, wie fest Maja sich schon verwickelt hatte.

„Wie ist es mit dem Stachel?“ fragte sie.

Nein, wie böse und garstig sah sie aus. Maja schüttelte es ordentlich vor Entsetzen, wenn sie daran dachte, daß die Spinne sie nun berühren wollte. Aber sie sagte so freundlich, als sie vermochte:

„Machen Sie sich wegen meines Stachels keine Sorge. Ich werde ihn einziehn und dann verletzt sich niemand daran.“

„Das bitte ich mir aus“, sagte die Spinne. „Also! Aufgepaßt! Still gehalten! Es ist wirklich schade um mein Netz.“

Die kleine Maja hielt still. Sie fühlte sich plötzlich herumgewirbelt, immer auf demselben Fleck, so daß ihr ganz schwindlig zumute wurde. Sie mußte die Augen schließen, und ihr wurde übel. — Aber was war das?! Entsetzt riß sie die Augen auf. Sie war über und über eingewickelt von einem ganz frischen klebrigen Faden, den die Spinne bei sich gehabt haben mußte.

„O du lieber Gott“, sagte die kleine Maja leise und mit bebender Stimme. Mehr sagte sie nicht. Nun war es zu Ende. Nun erkannte sie die Hinterlist der Spinne. Nun erst war sie gefangen, nun gab es kein Entrinnen mehr. Sie konnte keinen Flügel, kein Glied ihres Körpers mehr bewegen.

Ihr Zorn und ihre Wut waren verflogen, nur eine große Traurigkeit kam über ihr Herz. Ich habe nicht gewußt, daß es soviel Schlechtigkeit und Bosheit in der Welt gibt, dachte sie. Nun kommt meine tiefe Todesnacht, leb’ wohl, helle Sonne, lebt wohl, meine lieben Gefährten, warum hab’ ich euch verlassen? Lebt alle wohl. Ich muß sterben.

Die Spinne saß vorsichtig ein wenig beiseit. Sie fürchtete sich immer noch vor dem Stachel der kleinen Maja.

„Nun?“ fragte sie spöttisch, „wie befinden Sie sich, meine Kleine?“

Maja war zu stolz, dieser Falschen noch zu antworten. Nur nach einer Weile, als sie glaubte, ihre Traurigkeit nicht mehr ertragen zu können, sagte sie:

„Töten Sie mich bitte gleich.“

„I wo,“ sagte die Spinne und verknotete ein paar zerrissene Fäden, „meinen Sie, ich wäre so dumm wie Sie? Sterben tun Sie sowieso, wenn man Sie nur lange genug hängen läßt, und ich kann Ihnen Ihr Blut auch noch aussaugen, wenn Sie nicht mehr stechen können. Es ist nur schade, daß Sie nicht mehr sehen können, wie Sie mein schönes Netz zugerichtet haben, dann würden Sie Ihren Tod wenigstens als gerecht empfinden.“

Sie ließ sich blitzschnell bis an die Erde nieder, legte das Ende des neugesponnenen Fadens um einen kleinen Stein und zog es fest an.

Dann kam sie wieder herauf, ergriff das feste Seil, an dem die eingewickelte Maja hing, und schleppte es langsam mit ihrer Gefangenen fort.