die Gänse unter einer kleinen verkrüppelten Fichte mitten in einem großen Moor niedergelassen hatten, wo alles naß und alles kalt war, wo einige von den Erderhöhungen mit Schnee bedeckt waren und andere kahl aus einer Lache halbgeschmolzenen Eiswassers aufragten, da fühlte er sich auch keineswegs verzagt, sondern lief in fröhlicher Laune umher und suchte nach Moosbeeren und gefrorenen Kronsbeeren.

Aber dann kam der Abend, und die Dunkelheit senkte sich so dicht herab, daß nicht einmal Augen wie die des Jungen sie durchdringen konnten und die Einöde wurde so sonderbar häßlich und unheimlich. Der Junge lag unter den Flügel des Gänserichs eingebettet, aber er konnte nicht schlafen, kalt und naß, wie er war. Und er hörte so ein Pusseln und Rascheln und schleichende Schritte und drohende Stimmen, ihm wurde so bange, er wußte nicht, was er anfangen sollte. Er mußte dahin, wo Feuer und Licht war, wenn er nicht vor Angst umkommen sollte.

»Ob ich mich für diese eine Nacht zu den Menschen hinwagen soll?« dachte der Junge. »Wenn ich nur ein wenig beim Feuer sitzen und etwas zu essen bekommen könnte. Ich könnte ja vor Sonnenaufgang zu den wilden Gänsen zurückkehren.«

Er kroch unter dem Flügel hervor und ließ sich auf die Erde niedergleiten. Er weckte weder den Gänserich noch eine der anderen Gänse, sondern schlich still und unbemerkt über das Moor.

Er ahnte nicht, wo in aller Welt er war, ob in Schonen, in Smaaland oder in Bleking. Aber kurz bevor sie in das Moor heruntergeflogen waren, hatte er einen Schimmer von einem Dorf gesehen, und dahin wandte er nun seine Schritte. Es währte auch nicht lange, bis er einen Weg entdeckte, und bald befand er sich auf der Dorfstraße, die lang und mit Bäumen bepflanzt war, und zu deren beiden Seiten Häuser lagen.

Der Junge war in eins der großen Kirchdörfer gekommen, deren es oben im Lande so viele gibt, während man unten in der Ebene keine davon antrifft.

Die Häuser waren aus Holz und sehr zierlich gebaut. Die meisten hatten Giebel und Frontespize mit einem Rande aus geschnitzten Holzleisten, und Glasveranden mit einer bunten Fensterscheibe hier und da. Sie waren mit heller Ölfarbe gestrichen, Türen und Fensterpfosten schimmerten grün und blau, ja, sogar rot. Während der Junge so dahinging und die Häuser betrachtete, konnte er draußen auf dem Wege hören, wie die Leute, die in den warmen Stuben saßen, schwatzten und lachten. Die Worte konnte er nicht unterscheiden, aber er fand, es war schön, Menschenstimmen zu hören: »Ich möchte wohl wissen, was sie sagen würden, wenn ich anklopfte und um Einlaß bäte,« dachte er.

Das hatte er ja tun wollen, aber jetzt, wo er die erhellten Fenster sah, war die Angst vor der Dunkelheit überwunden. Dahingegen empfand er von neuem die Scheu, die ihn immer in der Nähe der Menschen befiel. »Ich will mich ein wenig mehr im Dorf umsehen,« dachte er, »ehe ich jemand um Einlaß bitte.«

An einem der Häuser war ein Balkon. Und gerade als der Junge vorüberging, wurden die Balkontüren geöffnet und gelber Lichtschimmer drang durch feine, leichte Gardinen. Und dann trat eine hübsche junge Frau auf den Balkon hinaus und lehnte sich über das Geländer: »Es regnet, jetzt bekommen wir Frühling,« sagte sie. Als der Junge sie sah, wurde ihm so sonderbar beklommen ums Herz. Er war nahe daran, zu weinen. Zum erstenmal überkam ihn ein unheimliches Gefühl, weil er sich von den Menschen ausgeschlossen hatte.

Bald darauf kam er an einem Kaufmannsgeschäft vorüber. Draußen vor dem Laden stand eine rote Säemaschine. Er blieb stehen und betrachtete sie, und kroch schließlich auf den Kutschersitz, auf den er sich niedersetzte. Als er dahinauf gekommen war, schnalzte er mit der Zunge und tat so, als säße er dort und führe. Er dachte daran, wie amüsant es sein würde, auf so einer feinen Maschine über ein Feld zu fahren. Einen Augenblick hatte er vergessen, wie er nun war, aber dann fiel es ihm wieder ein, und er sprang schnell von der Maschine herunter. Er wurde immer unruhiger. Da war doch gar mancherlei, worauf derjenige verzichten mußte, der immer unter den Tieren leben wollte. Die Menschen waren sowohl eigentümlich als auch tüchtig.

Er kam an der Post vorüber, und da dachte er an alle die Zeitungen, die jeden Tag mit Neuigkeiten aus allen Ecken der Welt anlangten. Er sah die Apotheke und die Doktorwohnung, und er dachte daran, wie groß die Macht der Menschen war, daß sie Krankheit und Tod bekämpfen konnten. Er kam an die Kirche und dachte daran, daß sie von Menschen erbaut sei, damit sie dort Reden hören konnten über eine Welt außer der, in der sie lebten, und über Gott und Auferstehung und das ewige Leben. Und je länger er dort ging, um so lieber wurden ihm die Menschen.

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