Karr konnte den Elch vor sich her laufen hören, war aber nicht imstande, ihn einzuholen. Er stürzte in den dichtesten Tannenwald hinein, mitten durch das Dickicht, ohne Weg oder Steg zu benutzen. Karr war mehrmals nahe daran, die Spur zu verlieren. Dann aber ertönte es wieder: »Karr! Karr!« und die Stimme war die Graufells, obwohl sie einen Klang hatte, wie ihn der Hund nie zuvor gehört hatte. »Ich komme, ich komme. Wo bist du?« antwortete der Hund. – »Karr, Karr, siehst du nicht, wie es herabrieselt?« fragte Graufell. Und da sah Karr denn, daß unaufhörlich Nadeln von den Tannen herabrieselten wie ein feiner Regen. »Ja, ich sehe, daß es rieselt,« rief er, lief aber gleichzeitig immer tiefer in den Wald hinein, um den Elch zu finden.

Graufell lief voraus, quer durch das Dickicht, und Karr war wieder nahe daran, die Spur zu verlieren. »Karr, Karr!« schrie Graufell, und es klang wie ein Brüllen. »Kannst du nicht merken, wie es hier im Walde riecht?« Karr blieb stehen und witterte. Er hatte bisher nicht darüber nachgedacht, konnte jetzt aber merken, daß die Tannen einen weit stärkeren Duft ausströmten als sonst. »Ja, ich kann merken, daß es hier stark riecht,« sagte er, ließ sich jedoch nicht Zeit, nachzusehen, woher es kam, sondern eilte weiter, Graufell nach.

Der Elch lief mit einer solchen Eile, daß der Hund ihn nicht einzuholen vermochte. »Karr, Karr,« rief er nach einer Weile, »kannst du nicht hören, wie es in den Tannen knarrt!« –Jetzt war die Stimme so betrübt, daß es einen Stein rühren mußte. Karr stand still, um zu lauschen, und er hörte ein schwaches aber deutliches Knarren oben in den Bäumen. Es klang wie das Ticken einer Uhr. »Ja, ich kann es ticken hören,« rief Karr und lief nun nicht mehr. Er begriff, daß der Elch nicht wollte, daß er ihm folgen sollte, sondern daß er etwas beachten sollte, was hier im Walde vor sich ging.

Karr stand gerade unter einer Tanne, die buschige, herabhängende Zweige und grobe, dunkelgrüne Nadeln hatte. Er sah den Baum genau an, und da war es ihm, als wenn sich die Nadeln bewegten. Er ging näher heran und entdeckte nun eine Menge grauweißer Larven, die auf den Zweigen herumkrabbelten und von den Nadeln fraßen. Jeder Zweig wimmelte von ihnen, sie nagten und fraßen. Es tickte und tickte in den Bäumen von allen ihren kleinen arbeitenden Kiefern. Unaufhörlich fielen abgenagte Tannennadeln zur Erde, und den armen Tannenbäumen entströmte ein so starker Duft, daß der Hund es fast nicht ertragen konnte.

»Die Tanne wird kaum viele von ihren Nadeln behalten,« dachte er und betrachtete dann aufmerksam den danebenstehenden Baum. Das war auch eine große, hohe Tanne, und sie sah ganz ebenso aus. »Was kann das doch nur sein?« dachte Karr. »Es ist ein Jammer um die schönen Bäume. Es ist bald nichts Schönes mehr an ihnen.« Er ging von Baum zu Baum und suchte zu entdecken, was ihnen fehlte. »Da steht eine Fichte, die haben sie wohl nicht anzurühren gewagt,« dachte er. Aber auch die Fichte hatten sie angegriffen. »Und die Birke da! Ja, auch die, auch die! Darüber wird sich der Holzwärter nicht freuen,« dachte Karr.

Er lief tiefer in das Dickicht hinein, um zu sehen, wie weit die Zerstörung um sich gegriffen hatte. Wohin er kam, hörte er dasselbe Ticken, spürte er denselben Geruch, sah er denselben Nadelregen. Er brauchte gar nicht stillzustehen, um es zu sehen. Diese Zeichen sagten ihm, wie es stand. Die kleinen Larven waren überall. Der ganze Wald schwebte in Gefahr, von ihnen kahl gefressen zu werden. Plötzlich kam er an eine Stelle, wo er den starken Tannenduft nicht spüren konnte, und wo es still und ruhig war. »Hier hat ihre Herrschaft ein Ende,« dachte er, stand still und sah sich um. Aber hier war es noch schlimmer, hier hatten die Larven ihre Arbeit schon beendet, und die Bäume standen ohne Nadeln da. Sie waren wie tot, und das einzige, was sie bedeckte, waren eine Menge zusammengerollter Fäden, die die Larven gesponnen und als Brücken und Wege benutzt hatten.

Hier zwischen den sterbenden Bäumen stand Graufell und wartete auf Karr. Aber er war nicht allein; neben ihm standen vier alte Elche, die angesehensten im Walde. Karr kannte sie. Es war Krummrück, ein kleiner Elch, dessen Höcker aber größer war als der aller anderen, Hornkrone, der größte von der ganzen Elchschar, Struwwelmähne mit dem dicken Pelz und ein alter, hochbeiniger, der Großkraft hieß, und schrecklich heftig und kampflustig gewesen war, bis er auf der letzten Herbstjagd eine Kugel in den Schenkel bekommen hatte.

»Was in aller Welt geht hier mit dem Walde vor sich?« fragte Karr, als er zu den Elchen herankam, die die Köpfe hängen ließen und die Oberlippe verschoben und sehr nachdenklich aussahen. – »Das weiß niemand,«

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