blitzte es in den Augen des Ärmsten auf, als sei ihm ein Herzenswunsch erfüllt. Von nun an kam Karr jeden Tag und besuchte das Elchkalb und verbrachte ganze Stunden damit, seinen Pelz zu lecken, mit ihm zu spielen und sich zu tummeln und es allerlei zu lehren, worüber Waldtiere Bescheid wissen müssen.

Und merkwürdig, von dem Tage an, als Karr auf den Einfall gekommen war, zu dem Elchkalb hineinzulaufen, fing es an zu gedeihen und zu wachsen. Und als es erst damit in Gang gekommen war, wuchs es in einigen wenigen Wochen so stark, daß es in dem kleinen Stand keinen Platz mehr hatte, sondern in ein Gehege geschafft werden mußte. Als es aber ein paar Monate in dem Gehege gewohnt hatte, waren seine Beine so lang geworden, daß es über den Zaun springen konnte, wenn es wollte. Da erhielt der Holzwärter Erlaubnis von dem Gutsbesitzer, eine hohe, große Hecke um das Kalb zu errichten. Dort lebte der Elch mehrere Jahre und wuchs zu einem großen, stattlichen Hirsch heran. Karr leistete ihm Gesellschaft, sooft er konnte, aber jetzt geschah das nicht mehr aus Mitleid, sondern weil eine warme Freundschaft zwischen den beiden entstanden war. Der Elch war noch immer niedergeschlagen und schien schlaff und träge zu sein, aber Karr verstand die Kunst, ihn munter und lebhaft zu machen.

Graufell war fünf Sommer im Holzwärterhäuschen gewesen, als der Gutsbesitzer von einem zoologischen Garten im Ausland einen Brief mit der Frage erhielt, ob er den Elch verkaufen wolle. Das wollte er gern. Der Holzwärter war betrübt, aber es konnte ja nichts nützen, daß er nein sagte, und so wurde denn beschlossen, daß Graufell verkauft werden sollte. Karr erhielt bald Wind von dem, was bevorstand und eilte zu dem Elch hinaus, um ihm zu erzählen, daß man die Absicht habe, ihn wegzuschicken. Der Hund war unglücklich, daß er Graufell verlieren sollte, der aber blieb ganz ruhig und schien weder froh noch traurig zu sein. »Willst du dich gar nicht dagegen auflehnen, weggeschickt zu werden?« fragte Karr.– »Was sollte das wohl nützen, wenn ich mich dagegen auflehnen wollte!« erwiderte Graufell. »Ich möchte am liebsten bleiben, wo ich bin, haben sie mich aber verkauft, so muß ich wohl fort von hier.« Karr stand da und sah Graufell an, maß ihn förmlich mit den Augen. Man konnte sehr wohl sehen, daß der Elch noch nicht ganz ausgewachsen war. Seine Schaufeln waren nicht so breit und sein Buckel nicht so hoch und seine Mähne nicht so struppig wie bei den voll ausgewachsenen Elchhirschen, aber er war doch stark genug, um für seine Freiheit zu kämpfen. »Man kann es ihm doch anmerken, daß er sein ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht hat,« dachte Karr, sagte aber nichts.

Der Hund kehrte erst nach Mitternacht, als er wußte, daß Graufell ausgeschlafen hatte und bei seiner ersten Mahlzeit war, nach dem Elchhof zurück. »Es ist sicher vernünftig von dir, daß du dich darin findest, fortgeschickt zu werden, Graufell,« sagte Karr, der jetzt ganz ruhig und zufrieden zu sein schien. »Du wirst in einem großen Garten eingesperrt und kannst ein sorgloses Leben führen. Ich finde nur, es ist ein Jammer, daß du von hier fortgehst, ohne den Wald gesehen zu haben. Du weißt, daß deine Stammesgenossen den Wahlspruch haben: Der Elch ist eins mit dem Walde. Aber du bist nicht einmal in einem Wald gewesen!«

Graufell sah von dem Klee auf, an dem er kaute. »Ich hätte wohl Lust, den Wald zu sehen, aber wie soll ich über die Hecke kommen?« sagte er mit seiner gewohnten Schlaffheit. – »Nein, das ist wohl ganz unmöglich für jemand, der so kurze Beine hat,« entgegnete Karr. Der Elch sah Karr an, der täglich mehrmals über die Hecke sprang, so klein er war. Er ging an die Hecke heran, machte einen Sprung und war im Freien, fast ohne daß er wußte, wie es zugegangen war.

Karr und Graufell begaben sich nun in den Wald. Es war eine herrliche, mondhelle Nacht zu Ende des Sommers, aber unter den Bäumen war es dunkel, und der Elch bewegte sich mit großer Vorsicht vorwärts. »Es ist vielleicht am besten, wenn wir umkehren,« sagte Karr. »Du bist ja noch nie draußen in dem großen Wald gewesen, und du könntest dir leicht die Beine brechen.« Da entschloß sich Graufell, schneller und kühner vorzugehen.

Karr führte den Elch in einen Teil des Waldes, wo mächtige Tannen wuchsen, die so dicht standen, daß kein Windhauch zwischen sie hineindringen konnte, »Hier pflegen deine Stammesgenossen Schutz gegen Sturm und Kälte zu suchen,« sagte Karr. »Hier stehen sie den ganzen Winter unter offenem Himmel. Aber du kriegst es viel besser da, wo du hinkommst. Du bekommst ein Dach über dem Kopf und wirst in einem Stall stehen wie eine Kuh.« Graufell erwiderte nichts; er stand noch da und sog den starken Tannenduft ein. »Hast du mir noch mehr zu zeigen, oder habe ich jetzt den ganzen Wald gesehen?« fragte er. – »Nein, noch nicht,« sagte Karr.

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